ROTTENBURG. Ein Meilenstein. So wurde die Weltwasserkonferenz der Vereinten Nationen von 22. bis 24. März gefeiert. 150 Staaten haben sich auf der Konferenz 660 Verpflichtungen auferlegt, um die globalen Wasservorräte besser zu schützen. Sauberes Wasser sei der Schlüssel zur Lösung der drei großen Krisen Klima, Artensterben und Verschmutzung, erklärte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Die Bilder dazu sind längst präsent: die Gerippe verdursteter Tiere im Sand, Flüsse voll mit Müll und Menschen, die mit Plastikkanistern Wasser aus Schlammlöchern schöpfen. All das weit weg, irgendwo im Süden.
Zeit des Mangels
Ein paar Tage von der Weltkonferenz in New York hat die Ministerin in Deutschland die Nationale Wasserstrategie vorgestellt. Das klingt ziemlich hochtrabend. Nationale Wasserstrategie – braucht es das? »Ja«, sagt Heidi Megerle, »das braucht es. Man hat in der Vergangenheit eine Wasserkrise im Süden gesehen, nicht unbedingt bei uns. Aber die Zeit, in der Wasser nicht als knappe Ressource gesehen wurde, die ist vorbei.« Auch Baden-Württemberg hat bereits eine Strategie zum Umgang mit Wassermangel entwickelt. Heidi Megerle ist Professorin für angewandte Geografie und Planung. Sie leitet an der Hochschule Rottenburg den Studiengang »Ressourcenmanagement Wasser«. Im vergangenen Sommer war sie für einige Zeit in einer Stadt in Savoyen in den französischen Alpen. Die Temperaturen dort stiegen zeitweise auf 40 Grad. Wenn Gewitter angesagt waren und dunkle Wolken am Himmel standen, fielen allenfalls ein paar Tropfen, wenn überhaupt. Das Flüsschen in der Stadt führte immer weniger Wasser, irgendwann waren nur ein paar Pfützen übrig. »Man hat die Fische herausgeholt. Alle anderen Lebewesen hatten keine Chance.« An den Berghängen vertrockneten die Bäume. Hätten sie gebrannt, die Feuerwehr hätte nicht einmal mehr Löschwasser gehabt. In diesem Jahr hat in Frankreich und Italien die Dürre schon im Winter eingesetzt. Viel zu wenig Schnee in den Alpen, das lässt wenig Gutes erwarten.
Die Katastrophennachrichten aus Deutschland schwanken zwischen zu viel Wasser mit Überflutungen und Starkregen oder zu wenig Wasser mit Trockenheit und Dürre. Etwas Gutes haben sie allerdings. »Es ist ein Umdenkprozess in Gang gekommen, man hat die Problematik wahrgenommen«, erklärt Heidi Megerle. »Die Wasserstrategie ist ein Signal, dass man sich Gedanken macht, wie man da rangehen kann.« Dass Wasser knapp ist, habe der Technische Geschäftsführer der Bodensee-Wasserversorgung, Christoph Jeromin, kürzlich auf einer Veranstaltung in Stuttgart deutlich gemacht. Zwar sei die Trinkwasserversorgung noch gesichert, aber neue Mitglieder könne der Verband nicht mehr aufnehmen. Dafür ist der Wasservorrat nicht groß genug. Die Frage werde sein: Kann jeder weiterhin Wasser verbrauchen wie bisher? Denkbar seien etwa gestaffelte Preise. Wer mehr verbraucht als seinem Haushalt dann zusteht, der muss dafür deutlich mehr bezahlen.
Die Sicherung von sauberem und vor allem bezahlbarem Trinkwasser ist deshalb eines der wichtigsten Ziele der Strategie. Was aber ist, wenn das Wasser knapp wird? »Dann«, sagt Heidi Megerle, »muss priorisiert werden.« Zwischen den Verbrauchern, zwischen der Industrie, den Kohle- und Atomkraftwerken, die Kühlwasser brauchen und vielleicht auch der Landwirtschaft. »Bisher waren großflächige Bewässerungen in der Landwirtschaft bei uns kein Thema, aber das wird kommen«, ist sie überzeugt.
Die Entwicklung einer bundesweiten Leitlinie, die bei Knappheit die Priorisierung der Wassernutzung regelt, ist deshalb ein wesentlicher Aspekt. Deshalb war es wichtig, dass an der Ausarbeitung der Strategie alle relevanten Sektoren beteiligt waren: Landwirtschaft und Naturschutz, Verwaltung und Verkehr, Stadtentwicklung und Industrie, Bund, Länder und Kommunen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist ein Paradigmenwechsel in der Stadtplanung, hin zu einer wassersensiblen Entwicklung. Das Stichwort heißt »Schwammstadt«: mehr Grün, weniger versiegelte Flächen, damit Wasser im Boden gespeichert werden kann. Dort kommt nämlich, wenn es regnet, zu wenig Wasser an. Von den versiegelten Flächen wie etwa Parkplätzen und überdimensionierten Garageneinfahrten strömt zu viel kostbares Nass in die Kanalisation und weiter in die Flüsse. »Und die Fließgewässer hat man in der Vergangenheit oft ausgebaut, damit das Wasser schneller abfließt. So wird dann aber weniger im Boden gespeichert«, beschreibt Heidi Megerle das Problem. Um Wasser in der Landschaft zu halten, ist deshalb auch die Renaturierung von Flüssen eine wichtige Aufgabe.
Mehr Wasser, mehr Grün: Nach dem Prinzip Schwammstadt sollen sich Städte besser an die Klimakrise anpassen. »Das«, sagt die Professorin, »sollte man dann aber gleich bei der Planung eines Neubaugebiets berücksichtigen. Hinterher etwas zu machen ist deutlich schwieriger.« Eine ihrer Studentinnen begleitet deshalb gerade die Planung eines neuen Baugebiets in einer Kommune im Kreis Tübingen.
Ein schwieriger Punkt, räumt Megerle ein, ist die Landwirtschaft: »Wir können manche Quellen nicht nutzen, weil der Nitratgehalt im Wasser über den Grenzwerten liegt. Das ist bei uns noch nicht so problematisch, aber etwa in Niedersachsen, wo auf Höfen Tausende von Tieren auf kleiner Fläche gehalten werden.« Ein Problem, das auch in der Wasserstrategie angesprochen ist. Es gelte, heißt es dort, »die Anpassung der Tierbestände an die für die Futtermittelproduktion zur Verfügung stehende Fläche zu fördern«.
Vor dem Hintergrund der Bedeutung der Sicherung der Wasserversorgung müsste aus Sicht von Heidi Megerle die vor Jahren vielfach diskutierte Privatisierung der Trinkwasserversorgung vom Tisch sein: »Das ist superkritische Infrastruktur, die in öffentlicher Hand bleiben muss.« (GEA)
HOCHSCHULE ROTTENBURG
Es ist wie überall: Vieles hängt am Geld. Aber nicht nur. Ein Ziel der Nationalen Wasserstrategie ist, die für die Umsetzung notwendigen Verwaltungen zu stärken. Fachpersonal ist gesucht, denn die Aufgaben sind komplex. Mit ihrem seit 2012 angebotenen praxisorientierten Studiengang »Ressourcenmanagement Wasser« hat die Hochschule Rottenburg dafür ein maßgeschneidertes Angebot, das die technische, die naturwissenschaftliche und die gesellschaftliche Dimension behandelt. Zum Wintersemester gibt es jeweils 35 Studienplätze für Anfänger. Wer das Fach studieren will, muss vielseitig interessiert sein und ein naturwissenschaftliches Grundverständnis mitbringen. Jobs gibt es etwa in Verwaltungen und Ingenieurbüros. »Wasserwirtschaftler«, sagt Heidi Megerle, »sind viel draußen. Die sitzen nicht nur am Schreibtisch.« Weitere Informationen gibt es beim Studieninfotag der Hochschule am 13. Mai. Außerdem gibt es die Möglichkeit zu einem Schnupperstudium. (pp)