Berlin (dpa) - Wenn Roland Matthes im Schwimmbecken lässig seine Bahnen zog, waren sogar seine Konkurrenten verzückt. Für viele war er der »Rolls Royce des Schwimmens«. Der viermalige Olympiasieger und erfolgreichste deutsche Schwimmer starb am Freitag im baden-württembergischen Wertheim nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 69 Jahren. Das bestätigte seine Frau am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Zuvor hatte die »Bild am Sonntag« über den Todesfall berichtet.
Die Sport-Karriere des Ausnahmekönners begann eher unfreiwillig. Als er als Kind in einen Teich sprang und nicht schwimmen konnte, wurde er von seinem vier Jahre älteren Bruder und ein paar Freunden wieder heraus geholt. »Dann habe ich aber schnell schwimmen gelernt«, sagte Roland Matthes einst. »Zum Schwimmen kam ich dann, weil es da immer eine warme Dusche gab«, berichtet er von damals ärmlichen Verhältnissen.
Dann wurde ihm aber Talentlosigkeit bescheinigt und er als »hoffnungsloser Fall betrachtet«. Doch seine langjährige Trainerin Marlies Grohe, die sein Leben prägte, sprach ein Machtwort und erkannte: »Das ungehobelte Stück Holz muss geschnitzt werden.« Sie legte damit den Grundstein für eine einmalige Karriere.
Sieben Jahre blieb Matthes über die Rückenstrecken national und international unbesiegt - von April 1967 bis August 1974 schlug er immer als Erster an und erzielte 21 Weltrekorde. Bei seinen insgesamt drei Olympia-Teilnahmen holte er zudem noch je zwei Mal Silber und Bronze. Zudem wurde er dreimal Welt- und fünfmal Europameister. Auch weil er einen unglaublichen Schwimmstil hatte und mit Attributen wie »Tragflächenboot« verglichen wurde. Er lag mehr auf dem Wasser als in diesem. »Vielleicht lag es auch an meinen großen Ohren«, kommentierte er einst lachend.
Sieben Mal wurde er in der DDR zum "Sportler des Jahres gewählt. 1981 wurde er in die International Swimming Hall of Fame in Fort Lauderdale/Florida aufgenommen. 2004 zeichnete ihn die Stiftung Deutsche Sporthilfe mit der "Goldenen Sportpyramide" aus, 2006 wurde er in die Hall of Fame des deutschen Sports aufgenommen.
Für Aufsehen sorgte 1978 die Heirat mit Kornelia Ender als dem zweiten großen sportlichen DDR-Schwimmm-Aushängeschild der damaligen Zeit. Als die Ehe vier Jahre später geschieden wurde, fiel er bei der sportlichen und politischen Führung in Ungnade. Kurz nach dem Mauerfall ging der im thüringischen Pößneck geborene Matthes im Dezember 1989 in den Westen. Über Kaiserslautern kam der promovierte Orthopäde nach Tauberbischofsheim und zur Fechttrainer-Legende Emil Beck, kümmerte sich dort um physiologische Trainingssteuerung.
1998 kehrte er für drei Jahre als TV-Experte beim ZDF an den Beckenrand zurück und hielt mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. »Wahrscheinlich war ich auch hier zu kritisch«. Eines hat er aber nie gemacht: mit der DDR und deren System abgerechnet. Er sprach sich gegen »Pharisäertum« im Umgang mit DDR-Erfolgen aus. »Nicht alles ist mit Doping zustande gekommen. Außerdem wurde vermutlich auch im Westen gedopt«, sagte Matthes 2008 in einem »Tagesspiegel«-Interview.
Er selbst habe mit Doping nichts zu tun gehabt: »Ich hatte das Glück, in einem kleinen Zivilclub bei Erfurt zu sein und nicht in einem der Polizei- oder Militärvereine, wo man mit Doping in Berührung kam.« Nach einem dritten Platz bei Olympia 1976 über 100 Meter Rücken stieg Matthes im Alter von 26 Jahren als damaliger »Schwimm-Methusalem« aus dem Becken.