Walldürn/Pforzheim (dpa/lsw) - Die Reaktivierung militärischer Anlagen stößt nicht überall auf Zustimmung. Zwar begrüßen die betroffenen baden-württembergischen Kommunen die Entscheidung des Bundesverteidigungsministeriums unisono. Immerhin fließen insgesamt 42 Millionen Euro in die drei Kommunen Walldürn, Hardheim und Pforzheim. Aber Friedensbewegte hadern mit der neuen Entwicklung. Sie wenden sich gegen eine Aufrüstung der Truppe.
Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Garnisonsstädte, Markus Günther sagt: »Wir sind begeistert.« Dabei schließt er seine Kollegen in Pforzheim und Hardheim ein, wo Munitions- und Materiallager aus dem Dornröschenschlaf geweckt werden. Günther ist Bürgermeister der 12 000-Einwohner Gemeinde Walldürn (Neckar-Odenwald-Kreis) mit 28 Bunkern. Das Munitionslager für die Luftwaffe war 2011 geschlossen worden und soll jetzt wiederbelebt werden. »Wir waren schon damals der Meinung, dass das es ein Fehler war, da wir mit einer Entwicklungsabteilung für Munition die modernsten Anlagen hatten.« Für die lokale Infrastruktur - von Schule bis Handel - habe der Abzug der Soldaten Probleme mit sich gebracht. Allerdings habe Walldürn noch ein Logistikbatallion mit 800 Dienstposten.
Nun will die Bundeswehr in der Gemeinde 12 Millionen Euro investieren sowie 60 zivile und neun militärische Stellen schaffen. Die Bundeswehr sei ein wichtiger Arbeitgeber im ländlichen Raum, sagte Günther. Die Wiedereröffnung des Standortes soll 2021 beginnen und 2024 abgeschlossen sein.
Anders als die Kommunalpolitik bewertet das Netzwerk Friedenskooperative in Bonn die Wende durchweg negativ. Koordinator Christian Golla sagt: »Wir wenden uns gegen eine weitere Aufrüstung der Bundeswehr.« Das sei nicht der richtige Weg für Konfliktlösungen. Zivile Konfliktlösungen wirkten nachhaltiger als Militäreinsätze, die oft die Probleme verschärften. Finanziell unterstützt werden müssten vorbeugende Diplomatie, Vernetzung ziviler Akteure zur Lösung von Konflikten und Entwicklungshilfe. Die lokalen ökonomischen Effekte durch Bundeswehreinheiten würden überschätzt, zumal die Soldaten häufig nicht am Standort wohnten und dorthin pendelten, unterstrich Golla.
Pforzheims Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) reagierte positiv auf die Nachricht aus dem Verteidigungsministerium. »Ich begrüße es, dass das Bundeswehrdepot in Huchenfeld wieder in Betrieb genommen werden soll und in diesem Zusammenhang ab 2022 circa 80 neue militärische und zivile Dienstposten geplant sind.« In Pforzheim werden 14 Millionen Euro investiert. Am meisten lässt sich die Bundeswehr im Südwesten die Reaktivierung eines Materiallagers in Hardheim im Neckar-Odenwald-Kreis kosten - 16 Millionen Euro sollen ausgegeben werden und 100 Dienstposten entstehen.
Der Pforzheimer Rathauschef Boch stellt klar: Für die Menschen in Huchenfeld sei es wichtig, im nächsten Schritt zu erfahren, wie die konzeptionellen Überlegungen der Bundeswehr genau aussehen und welche Materialien im Depot gelagert werden sollen. »Daher hoffe ich, dass die Kommunikation mit den verantwortlichen Stellen des Bundes auch weiterhin gut funktioniert und wir, sobald dies möglich ist, zu den noch offenen Fragen transparent informiert werden.«
Bereits im vergangenen Dezember hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) eine Verstärkung der Bundeswehr mit einem sechsten Panzerbataillon angekündigt. Die Einheit mit etwa 500 Soldaten soll in Hardheim stationiert werden.
Mit der später noch etwas veränderten Strukturreform 2011 hatte die Bundeswehr mehrere Standorte in Baden-Württemberg komplett aufgegeben und andere verkleinert. Von damals mehr als 25 000 Dienstposten sind aktuell nach Angaben des Landeskommandos 13 800 Soldaten und 3000 Zivilbeschäftigte übrig.
Größere Standorte im Südwesten sind weiterhin Bruchsal mit einem ABC-Abwehrbataillon und Stetten am kalten Markt (Kreis Sigmaringen) unter anderem mit Kampfmittelbeseitigung und Artillerie. In Laupheim (Kreis Biberach) ist ein Hubschraubergeschwader stationiert, in Niederstetten (Main-Tauber-Kreis) ein Transporthubschrauberregiment.
Weitere bedeutende Standorte sind Dornstadt (Alb-Donau-Kreis) mit einem Kraftfahrerausbildungszentrum sowie Ulm unter anderem mit einem Bundeswehrkrankenhaus. Ein zentrales Munitionsdepot befindet sich in Setzingen im Alb-Donau-Kreis, von dem aus die Bundeswehr in Süddeutschland unter anderem mit Munition für Handfeuerwaffen versorgt wird.
Während des Kalten Krieges waren in Baden-Württemberg neben der Bundeswehr Tausende Soldaten aus den USA, Frankreich und Kanada stationiert. Viele dieser Standorte wurden inzwischen aufgegeben. Aus einem Militärflugplatz der Kanadischen Luftwaffe entstand etwa der Airport Karlsruhe/Baden-Baden. Die US-Streitkräfte haben nach Angaben des Innenministeriums noch rund 10 750 Soldaten und Zivilbeschäftigte in Baden-Württemberg.