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Rassistische Berliner? Post von Antidiskriminierungsstelle

Faschingskrapfen sind süß, bunt und bieten Platz für auffällige Dekoration. Ein Heilbronner Bäckermeister hat mit einem ganz speziellen Exemplar ungewollt einen Streit über Grenzen von Faschingsfreuden vom Zaun gebrochen.

Fastnachts-Berliner
Bäcker Ralf Herrmann steckt in seiner Bäckerei eine Dekorationsfigur in einen Faschingskrapfen. Foto: Uwe Anspach
Bäcker Ralf Herrmann steckt in seiner Bäckerei eine Dekorationsfigur in einen Faschingskrapfen.
Foto: Uwe Anspach

Ein Heilbronner Bäcker hat seine Faschingskrapfen mit Pappfiguren geschmückt, die teils als diskriminierend empfunden werden. Im Sortiment finden sich Indianer mit Irokesenschnitt, Chinesen mit Schwert und schwarze Frauen im Bastrock. Mit dieser Dekoration hat er die Antidiskriminierungsstelle auf den Plan gerufen. Diese legte dem Bäcker schriftlich nahe, »das Dekorationsmaterial diskriminierungssensibel abzuändern«. Der will die Bitte nicht erfüllen und die figürlichen Stecker weiter verwenden.

»Ich werde nicht darauf verzichten, weil die Deko nicht rassistisch ist«, betont Bäckermeister Ralf Herrmann am Donnerstag. Er habe bereits 100 E-Mails aus ganz Deutschland erhalten, die ihn ermunterten, von diesem Kurs nicht abzurücken. Infolge der Veröffentlichung des Briefes kam es zu einem Shitstorm gegen die Antidiskriminierungsstelle.

Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) fordert hingegen ein sofortiges Ende der umstrittenen Dekoration: »Spätestens dann, wenn sich Menschen durch so eine Darstellung herabgewürdigt fühlen, muss sie verschwinden«, sagt Verbandssprecher Tahir Della. Bei ihm laufe das Telefon heiß, weil Menschen sich durch das Karnevalsgebäck erniedrigt fühlten. Die Faschingszeit biete generell Platz für Stereotypen. Er höre immer wieder den Satz: »Ich bin doch keine Verkleidung.«

Ein Dorn im Auge ist der Heilbronner Antidiskriminierungsstelle vor allem die Darstellung der halbnackten schwarzen Frau mit Bastrock und Knochenkette. Damit würden schwarze Menschen in Zusammenhang mit einer wilden, unzivilisierten Lebensweise und Kannibalismus gebracht, erläutert Geschäftsführerin Mirjam Sperrfechter. Es handele sich um eine Reproduktion kolonialistischer Vorstellungen. »Die Bilder, die dabei entstehen, haben jedoch nichts mit der realen Lebenswelt von Schwarzen und indigenen Menschen zu tun.« Eine Kundin der Bäckerei hatte sich bei der Antidiskriminierungsstelle über die Gestaltung des Gebäcks beschwert.

Infolge der Veröffentlichung des Briefes an den Bäcker kam es zu einem Shitstorm gegen die Antidiskriminierungsstelle. Sperrfechter zeigt sich von der Schärfe der Kommentare erschrocken: »Weder ich persönlich noch die Antidiskriminierungsstelle haben jemals einen Shitstorm oder überhaupt Mails und Anrufe erhalten, die auch nur annähernd in die Richtung kommen, wie wir das momentan erleben.« Gegen Beleidigungen mit strafrechtlicher Relevanz werde man rechtlich vorgehen.

Bäckermeister Herrmann betone, er sei nur in diesem einen Punkt mit der Antidiskriminierungsstelle uneins, ansonsten sei das eine notwendige Einrichtung. Er distanzierte sich von Beleidigungen der Institution und der Forderung der AfD, sie ganz aufzulösen. Geschäftsführerin Sperrfechter warnte vor einer Aneignung des Themas durch rechte Gruppen, die damit Hass und Hetze schürten, gleichzeitig aber auch zeigten, dass eine solche Stelle nicht überflüssig sei.

Bäckermeister Herrmann verweist darauf, dass er bereits im vergangenen Jahr den aus seiner Sicht harmlosen Schmuck ohne jedwede Beschwerde benutzt habe. Insgesamt habe er 14 lustige Pappfiguren-Arten vom Chinesen bis zum Seeräuber im Sortiment. Ihm stelle sich die Frage, wo Grenzen gezogen werden: »Juckt es wirklich in den USA irgendjemanden, wenn sich hier Kinder als Indianer oder Cowboy verkleiden?« Wenn das nicht mehr möglich sei - »dann kann man Fasching ja ganz abschaffen«.

Das ist nach Dellas Ansicht gar nicht nötig. Traditionen existierten nicht um ihrer selbst Willen. Es müsse ständig überprüft werden, ob sie noch in die Zeit passten und niemanden beleidigten. »Dazu muss man ja nicht die ganzen Umzüge über den Haufen schmeißen.«

Für die ISD ist die Diskussion um kulturelle Aneignungen durch Nicht-Schwarze nicht neu. Dulde man Rassismus im Kleinen, sinke die Hemmschwelle, schwarze Menschen zu beleidigen. »Der Bäckermeister wird seine Ware genauso gut verkaufen, wenn er auf abschätzende Motive verzichtet«, meint Della.

© dpa-infocom, dpa:230216-99-618844/4