STUTTGART. Die Entwicklung lässt grünen Verkehrsplanern das Herz aufgehen. Der Radverkehr in Stuttgart hat 2018 gewaltig zugelegt. An der Zählstelle auf der Neckarbrücke beim Leuze wurde im vergangenen Jahr die Millionengrenze nur ganz knapp verfehlt. 990 866 Radfahrten sind insgesamt gezählt worden, das sind 2 715 Bewegungen pro Tag im Durchschnitt. Zusammen mit der anderen Zählstelle an der Böblinger Straße in Kaltental (315 741) wurden somit 1 306 607 Radfahrten (3 580 im Schnitt) an der Hauptradroute 1 registriert, die Stuttgart von Ost nach West quert. Das sind stolze 21,2 Prozent mehr als 2017. Der steile Anstieg ist allerdings sicher nicht nur auf den Umsteigewillen vom Auto aufs Rad der Menschen in der Region zurückzuführen – der lange und vor allem extrem regenarme Sommer war auch ein wichtiger Faktor für den rapiden Anstieg.
Nachholbedarf bei Infrastruktur
Die Entwicklung des Radverkehrs in Stuttgart ist also durchaus erfreulich, zumal seit Beginn der Zählungen 2014 ein stetiger Anstieg zu verzeichnen ist, im Schnitt etwa acht Prozent pro Jahr. Das Tempo beim Bau neuer Radstrecken oder Infrastrukturmaßnahmen wie Parkflächen oder Servicestationen ist aber steigerbar, zumal Geld dafür vorhanden ist. Im Doppelhaushalt 2018/2019 sind 11,2 Millionen Euro für Investitionen in das Radwegenetz vorgesehen, von denen bis Ende November 2018 aber nur 2,1 Millionen abgeflossen sind.
Das Tempo der Entwicklung beklagt auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC). Cornelius Gruner, der Vorsitzende des ADFC in Stuttgart, freut sich zwar über das Geld und hat auch Verständnis dafür, dass sich die erst vor einigen Monaten eingestellten Radwegeplaner noch einarbeiten müssen. Gruner sagt aber auch: »2019 sollte jetzt das Tempo bei der Fertigstellung neuer Radwege gesteigert werden.«
Impulse dafür sollen auch von einer neuen Kraft in der Verwaltung ausgehen. Seit dem 1. Januar ist Eva Adam die neue Fahrradbeauftragte. Sie folgt auf Claus Köhnlein. Die Nachfolgerin kommt aus Leonberg und hat als Verkehrsplanerin bis Ende 2018 für die Große Kreisstadt in der Entwicklung des Radverkehrs gearbeitet. Zusammen mit ihrem Vorgänger Köhnlein hat sie sich auch für einen Radweg zwischen Leonberg und Stuttgart entlang der Mahdentalstrecke starkgemacht.
Im Moment arbeitet sich die 40-jährige Verkehrsplanerin ein. Adam nutzt auch das Rad bei der Fahrt von ihrem Wohnort Fellbach in die Stadt, kennt deshalb auch schon die neuralgischen Punkte an der Hauptradroute 1 zwischen Cannstatt und Vaihingen. 2019 sollen noch einige von Köhnlein angestoßene Projekte realisiert werden, wie der Radwegstreifen an der Filderstraße und die Fertigstellung der Hauptradroute 2 vom Stuttgarter Osten nach Hedelfingen.
Im Bereich Transportrad war eine Initiative der Stadt 2018 sehr erfolgreich. Im Oktober wurde ein Förderprogramm aufgelegt, das Stuttgarter Familien und Alleinerziehende zum Ein- oder Umstieg auf Lastenräder animieren sollte. Das Programm war mit 250 000 Euro ausgestattet und sah eine Förderung pro Kauf um bis zu 2 000 Euro vor. Nachdem etwa 300 Anträge gestellt wurden, erhöhte die Stadt die Summe noch einmal um 184 000 Euro, sodass alle förderfähigen Anträge den Basiszuschuss von 1 500 Euro erhielten. Dazu kommen in drei Jahren noch einmal 500 Euro, wenn in dieser Zeit kein Auto im Haushalt angemeldet war oder eines abgemeldet wurde. Der Gemeinderat entscheidet, ob das Programm auch dieses Jahr fortgesetzt wird. (dpa)
KEIN RADENTSCHEID
Die Initiative Radentscheid hat OB Fritz Kuhn vor Weihnachten eine Liste mit 35 000 Unterschriften übergeben. Die Stuttgarter sollten über das »Bürgerbegehren für ein fahrradfreundliches Stuttgart« entscheiden. Doch ein Rechtsgutachten, das die Verwaltung in Auftrag gab, kommt zum Ergebnis, dass ein Bürgerentscheid aus rechtlichen Gründen nicht zulässig ist. (GEA)