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Protest vor Ministerium: Bauerndemo gegen Pestizid-Pläne

Straße statt Feld, Protest statt Pflanzenbau: Bauern aus dem ganzen Land sind in Stuttgart zusammenkommen, um lautstark ihre Kritik an den jüngsten Plänen der EU loszuwerden. Mit dabei: ihre Traktoren.

Um sich ein besseres Bild von der Stimmungslage der Bauern in diesen Tagen zu machen, musste Agrarminister Peter Hauk am Mittwoch nur aus dem Fenster schauen. Vor dem Umwelt- und dem Landwirtschaftsministerium machten Bauern aus dem ganzen Land ihrem Ärger über Bestrebungen der EU nach deutlich weniger Pestizideinsatz Luft. Mit Dutzenden Traktoren versammelten sie sich vor den Regierungsbehörden in Stuttgart und riefen dazu auf, die Brüsseler Pläne zu stoppen. Besorgt sind die Landwirte vor allem wegen des Vorhabens, konventionelle und Bio-Pflanzenschutzmittel auf »empfindlichen Flächen« weitgehend zu verbieten.

Nach Schätzungen von Veranstalter Christian Coenen, einem Ackerbauer aus Philippsburg (Kreis Karlsruhe), sind rund 200 Bauern mit 100 Traktoren dem Aufruf zur Kundgebung gefolgt. »Wir erwarten eine deutliche Korrektur des Gesetzentwurfs«, forderte Coenen. »Wir möchten ein Miteinander und keine Verbote, wir möchten mit an den Tisch, wenn es um Veränderungen gehen soll«, heißt es zudem im Aufruf zum Protest, der im Rahmen eines bundesweiten Aktionstags organisiert wurde. »Wir sind die Praktiker, und es ist auch unsere Zukunft!«

Ein generelles Verbot von Pflanzenschutzmitteln in den Schutzgebieten würde nach Einschätzung der Landwirte für viele Betriebe mit Obst-, Wein- und Gemüseanbau, aber auch mit Ackerbau das Aus bedeuten. »Das gilt nicht nur für konventionelle Betriebe, sondern auch für Biobetriebe, denn auch die müssen Pflanzenschutzmittel anwenden«, sagte Coenen.

Agrarminister Hauk zeigte Verständnis für den Protest. »Sie sind nicht nur wie kaum eine andere Berufsgruppe direkt von den Folgen des Klimawandels betroffen, sondern werden auch mit immer mehr Bürokratie aus Brüssel überfrachtet«, sagte der CDU-Politiker. Die geplanten strengen Vorgaben zum Pflanzenschutz gingen weit über das Ziel hinaus. Es sei wichtig, dass Landwirtschaft, Naturschutz und Artenschutz Hand in Hand gingen. »Die Landwirtschaft muss dabei endlich als Teil der Lösung und nicht immer als Teil des Problems gesehen werden«, sagte Hauk.

Naturschützer nannten es dagegen einen Trugschluss zu glauben, dass Ernteerträge auf Dauer nur mit intensivem Pestizideinsatz gesichert werden könnten. »Das Gegenteil ist der Fall«, sagte die Agrarreferentin des Naturschutzbundes Baden-Württemberg (Nabu), Anna Sesterhenn. »Die weltweite Ernährungssicherheit ist auf lange Sicht nur durch vielfältige und widerstandsfähige Ökosysteme zu erreichen. Wir riskieren nicht mit, sondern ohne eine drastische Pestizidreduktion in Europa eine Nahrungsmittelkrise.«

Die EU-Kommission hat bisher nur einen Vorschlag vorgelegt, der vom Europäischen Parlament und vom Rat geprüft wird. Sie bezieht sich in ihrem Entwurf für ein Pestizid-Verbot auf ökologisch empfindlichen Gebieten.

Pestizide werden etwa gegen Insekten oder andere Tiere, Pilze oder Unkraut eingesetzt. Im Rahmen ihres Green Deals hat sich die EU vorgenommen, die Pflanzenschutzmittel zu reduzieren. Hinter dem Green Deal verbergen sich die selbst gesteckten Klimaziele der EU. Bis zum Jahr 2030 sollen demnach 50 Prozent weniger Pestizide eingesetzt werden. Sie sind schädlich für die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen, sie wirken sich zudem negativ auf die biologische Vielfalt aus. Die EU-Kommission argumentiert, es gebe zahlreiche Studien, die zeigten, dass Landwirte Pestizide reduzieren und Geld sparen könnten, ohne dass Ernteerträge gefährdet würden.

Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu Pestiziden

Informationen zum Aktionstag

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