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Problem sexualisierte Gewalt ist groß und massiv

Der Rücktritt der EKD-Ratsvorsitzenden hat sexualisierte Gewalt auch in der evangelischen Kirche wieder auf die Tagesordnung gebracht. Die badische Landesbischöfin wirbt für einen differenzierten Blick.

Landesbischöfin Heike Springhart
Heike Springhart, Landesbischöfin der Evangelischen Landeskirche in Baden. Foto: Uli Deck/DPA
Heike Springhart, Landesbischöfin der Evangelischen Landeskirche in Baden.
Foto: Uli Deck/DPA

Die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt ist nach den Worten der Landesbischöfin der evangelischen Landeskirche in Baden ein enorm komplexes Unterfangen. Im konkreten Einzelfall seien Täter und Opfer meist sehr klar zu benennen, sagte Heike Springhart am Montagabend in Karlsruhe. In der Gesamtschau gebe es aber viele Graubereiche und entsprechend keine einfachen Schwarzweiß-Lösungen.

Die Verantwortung der Kirche sei hier, hinzuschauen und sich selbstkritisch mit dem Thema auseinanderzusetzen. Es gehe um einen Vertrauensbruch - das sei der Schaden, der entstanden ist. Darüber müsse man reden, das müsse man sich selbstkritisch anschauen, sagte Springhart. Dabei spielt es aus ihrer Sicht keine Rolle, dass die katholische Kirche - nach allem, was bislang bekannt ist - mit mehr Missbrauchsfällen zu tun hat als die evangelische. »Das Problem ist groß und massiv, unabhängig von Zahlen«, sagte die Landesbischöfin.

Zuletzt hatte der Rücktritt der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, im Zusammenhang mit dem Thema sexualisierte Gewalt für Aufsehen gesorgt. Der 60-Jährigen war in einem Zeitungsbericht vorgeworfen worden, schon vor vielen Jahren vom Verdacht sexuell übergriffigen Verhaltens gegen einen damaligen Kirchenmitarbeiter gewusst zu haben. Die Theologin streitet dies ab, trat aber am 20. November als Ratsvorsitzende und Präses der Landeskirche von Westfalen zurück, um Betroffenen nicht mit Schlagzeilen durch einen Verbleib im Amt zu schaden, wie sie sagte.

Landesbischöfin Springhart sagte, sie schmerze der Rücktritt und sie habe keinen Zweifel an Kurschus' Aufrichtigkeit. Sorge bereite ihr, dass, sobald der Verdacht der Vertuschung im Raum stehe, das Urteil im Grunde schon gesprochen sei. Dabei seien die Hintergründe zu dem Fall noch unklar und müssten erstmal aufgeklärt werden, betonte sie.

An diesem Dienstag (16.00 Uhr) setzt die EKD-Synode ihre in Ulm unterbrochene Tagung digital fort. Hintergrund der Unterbrechung am 15. November war laut EKD der angekündigte Warnstreik bei der Deutschen Bahn. Während der Tagung war Kurschus unter Druck geraten. Laut einer Sprecherin will sich die Präses der Synode, Anna-Nicole Heinrich, bei der digitalen Fortsetzung der Tagung zum Rücktritt von Kurschus äußern. Darüber hinaus wird eine Stellungnahme der kommissarischen EKD-Vorsitzenden Kirsten Fehrs erwartet.

Die EKD ist die Gemeinschaft von 20 lutherischen, reformierten und unierten Landeskirchen. 19,2 Millionen evangelische Christinnen und Christen in Deutschland gehören zu einer der 12.700 Kirchengemeinden.

Die evangelische Landeskirche in Baden hat gut eine Million Mitglieder. Auch aus der Landeskirche und der Diakonie sind viele Dutzend Missbrauchsfälle bekannt. Seit Jahren wird an der Aufarbeitung gearbeitet und versucht, Betroffenen zu helfen.

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