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Aktuell Versorgung

Probebohrungen für Trinkwasser im Bodensee

Der Bodensee soll mehr Trinkwasser liefern. Eine aggressive Muschelart bringt die Technik an ihre Grenzen.

Probebohrungen für das Projekt »Zukunftsquelle. Wasser für Generationen« der Bodensee-Wasserversorgung auf einer schwimmenden P
Probebohrungen für das Projekt »Zukunftsquelle. Wasser für Generationen« der Bodensee-Wasserversorgung auf einer schwimmenden Plattform vor Bodman. FOTO: KÄSTLE/DPA
Probebohrungen für das Projekt »Zukunftsquelle. Wasser für Generationen« der Bodensee-Wasserversorgung auf einer schwimmenden Plattform vor Bodman. FOTO: KÄSTLE/DPA

BODMAN-LUDWIGSHAFEN. Mehrfach wird der Bohrkern rund 90 Meter unter der Wasseroberfläche tief in den Seegrund gehämmert. »Wir sind gut 20 Meter unter Grund«, sagt Gunter Kühne, der oben auf einem Ponton auf dem Bodensee wartet. 40 Meter tief soll die Bohrung noch gehen, sagt der technische Leiter der Bohrfirma. »Am Wochenende werden wir sicher fertig, dann rücken wir auf den nächsten Punkt.« Kühnes mechanischer Hammer soll dabei helfen, zu untersuchen, wie der Bodensee künftig am besten für Trinkwasser angezapft werden kann.

Rund vier Millionen Menschen im Südwesten werden nach Angaben des Zweckverbands Bodensee-Wasserversorgung schon jetzt mit Trinkwasser aus dem See versorgt. Die Abnehmer sind 320 Städte und Gemeinden – nicht nur im Bodenseeraum, auch die Landeshauptstadt Stuttgart und Kommunen im Norden Baden-Württembergs wie Heilbronn gehören dazu.

»In einigen Gemeinden versiegen die eigenen Quellen«

Und die brauchen wegen des Klimawandels immer mehr Wasser, sagt die Sprecherin des Zweckverbands, Teresa Brehme. »In einigen Gemeinden versiegen die eigenen Quellen, weil der Grundwasserspiegel absinkt.« An einigen Orten spiele auch die Nitratbelastung eine Rolle. Um die Menschen dort trotzdem mit Trinkwasser versorgen zu können, will der Zweckverband am Bodensee eine zweite Entnahmestelle samt Pumpstation bauen. Dazu haben nun Probebohrungen begonnen.

»Projekt Zukunftsquelle« nennt der Zweckverband das Mammutvorhaben, dessen Kosten laut Brehme bislang auf mehrere Hundert Millionen Euro geschätzt werden. Beginnen werden die Bauarbeiten wohl nicht vor Ende 2023, fertig sein soll die gesamte Infrastruktur knapp zwölf Jahre später. Neben der neuen Entnahmestelle samt Seepumpwerk gehört dazu ein Tunnel, durch den das Wasser in Rohren auf den Sipplinger Berg zur Aufbereitung ins Wasserwerk gebracht werden soll. Außerdem muss die zugehörige Stromversorgung gebaut und die bislang genutzte, etwa 60 Jahre alte Entnahmestelle modernisiert werden. Das liegt auch an einer aggressiven Muschelart, die dem Zweckverband seit Jahren Kopfzerbrechen bereitet. Die Quagga-Muschel habe sich seit der ersten Entdeckung im Bodensee im Mai 2016 dort »rasend schnell« ausgebreitet, sagt Petra Teiber-Sießegger, Biologin am Institut für Seenforschung in Langenargen. »In Rohren haften sich die freischwimmenden Larven fest und werden ständig mit Frischwasser versorgt.« Der Zweckverband muss seine Technik deshalb regelmäßig aufwendig reinigen – und wird die Muschel doch nie los.

»Die Quagga-Muschel findet immer eine Ecke, in der sie überlebt«

Helfen sollen neue Filter in Anlagen am Seeufer, eine sogenannte Ultrafiltration. Damit könne man die Muschellarven aus dem Seewasser herausholen, sagt Zweckverbandssprecherin Brehme. Dass die eingeschleppte Quagga-Muschel wieder aus dem Bodensee verschwindet, scheine derzeit unmöglich, sagt Biologin Teiber-Sießegger. »Die findet immer eine Ecke, in der sie überlebt.«

Mit dem Projekt »Zukunftsquelle« will der Zweckverband aber auch sicherstellen, in Spitzenzeiten an heißen Sommertagen immer genug Wasser liefern zu können – auch wenn zeitgleich Reparaturen nötig sein sollten. »Die Tage, an denen wir im Sommer auf Höchstlast laufen, haben zugenommen«, sagt Brehme. Bis zu 670 Millionen Liter Wasser darf der Zweckverband pro Tag bislang laut Genehmigung aus dem Bodensee pumpen, nötig waren bisher höchstens 620 Millionen Liter.

Trotz des Ausbaus der Wasserversorgung wolle man sich vorerst an die aktuelle Höchstmenge halten, sagt Brehme. »Aber wir bauen hier für die nächsten 100 Jahre.« Daher sei es wichtig, die Infrastruktur auch für künftig möglicherweise höhere Mengen zu planen.

Obwohl die neue Pumpstation am Bodensee-Ufer in einem geschützten Fauna-Flora-Habitat-Gebiet gebaut werden soll, halten sich Naturschutzverbände bislang mit Kritik an dem Großprojekt zurück. »Die Notwendigkeit der Maßnahmen wurde überzeugend dargestellt und steht für uns außer Frage«, teilt der Naturschutzbund (Nabu) Baden-Württemberg mit. »Vier Millionen Menschen müssen mit Trinkwasser versorgt werden.« Ähnlich äußert sich der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) im Südwesten. Wichtig sei nur, dass die Folgen für Umwelt und Natur so gering wie möglich gehalten würden.

Auch der technische Leiter der Probebohrungen, Gunter Kühne, betont die Bedeutung des Vorhabens. »Das ist schon was Besonderes. Wir bekommen hier auch nicht so viel Gegenwind wie bei anderen Projekten, zum Beispiel bei der Suedlink-Stromautobahn. Wasser braucht jeder.«

Bis zum Spätsommer dieses Jahres sollen die Probebohrungen weitergehen – an 18 Punkten im See und an etwa 100 Orten an Land. Dann kann im Detail geplant werden, wo genau und wie die Rohre in den See gelegt werden sollen. Und es könnte klarer werden, wie viel es letztlich kosten wird, die Wasserversorgung aus dem Bodensee zukunftssicher zu machen. (dpa)