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Aktuell Volksfest

Positive Frühlingsfestbilanz aus Stuttgart

Schausteller berichten von einer besseren Atmosphäre mit weniger Alkohol und mehr Familien

Gut besucht war das Frühlingsfest auch ohne Bierzelte.  FOTO: RETTIG/LICHTGUT
Gut besucht war das Frühlingsfest auch ohne Bierzelte. FOTO: RETTIG/LICHTGUT
Gut besucht war das Frühlingsfest auch ohne Bierzelte. FOTO: RETTIG/LICHTGUT

STUTTGART. Am Finalsonntag des 174. Stuttgarter Frühlingsfestes ist zur Mittagszeit gut durchzukommen – auch mit Kinderwagen. Und das zählt an diesem Tag, an dem es viele Familien mit Kind und Kegel auf den Wasen zieht. Jetzt lässt sich die 5-jährige Lilly von ihrem Papa unbedrängt einen gerade gekauften Blumenkranz aufsetzen, während sich in der VfB-Lounge Fans mit einem kühlen Hellen Mut fürs Bayern-Spiel machen. Ein älterer Herr ersteht einen elastischen Gürtel: »Vielleicht muss man den ja bald ein bisschen enger ziehen in diesen Zeiten!«

Gute Laune hat auch Josef Zimmermann, obwohl an seiner Dosenwurf-Bude noch Flaute herrscht: »Das kommt noch, wir hatten lauter gute Tage!« Der Stuttgarter, seit 29 Jahren auf dem Wasen präsent, hat also Muse für ein Resümee: »Es war das beste Frühlingsfest ever. So angenehme Leute! Keine Exzesse und so viele, die mit den Kindern gekommen sind.« Die fehlenden »Zelte für Ballermann-Events« hat er überhaupt nicht vermisst. Er versteht zwar, dass »im Hintergrund die Brauereien mit den Füßen scharren«, findet aber, dass die Wasen-Feste »einen Mittelweg finden sollten«.

Sexismusdebatte übertrieben

Die Sexismusdebatte über freizügige Deko findet er völlig übertrieben: »Jedes zweite junge Mädchen kommt doch in knappen Minis und im bauchfreien Top, wo seitlich der Busen rausschaut. Das ist doch das, was junge Männer nervös macht! Ist das dann Sexismus?« Gegenüber ist Sabine Ernst, die mit ihrer »orientalischen Dame«, wie sie die gemalte, luftig gekleidete Bauchtänzerin nennt, besonders in die Schusslinie geraten war: »Ein Witz, absolut lächerlich« sei der »aktivistische Lärm«. Sie habe Dutzende Leute gefragt, niemand habe Anstoß genommen, da habe sie »den Bäpper über dem Busen wieder weggemacht«. Und sie betont: »Ich habe als junge Frau für Frauenrechte demonstriert und bin eine alte «Emma»-Leserin. Diese neue Prüderie hat doch nichts mit dem erkämpften Recht auf Selbstbestimmung zu tun!«

Kritik an den als sexistisch bezeichneten Darstellungen ist hier einfach nicht zu haben. So oft und so offen man auch fragt. Auch nicht an der Achterbahn mit sich rekelnden Schönen, wo eine Frau aus Esslingen gerade mit Mann und Kind aussteigt. »Hübsche Frauen kann man doch ankucken!«, findet sie. Wie alt sie sei? »Eine Frau fragt man das nicht. Das ist Diskriminierung.« Lachend eilt sie davon. An der ebenfalls beanstandeten Wildwestszenerie findet Thomas aus Burgstetten, dass das »immer radikaler wird«.

Auffällig viele machen den letzten Festtag zum Familienausflug. Wie die Familie aus Backnang. Der achtjährige Ben will unbedingt zur Wilden Maus, Papa rechnet mal durch, was die Wasen-Visite kosten könnte: »200 Euro sind schnell beisammen, bei 300 ist aber Schluss!« Auch größere Strecken werden in Kauf genommen. Die Oma aus Baiersbronn etwa, die gar nicht hinschauen mag, wie ihr Enkel da oben am 45-Meter-Arm hin und her saust. Lore und Jessica »von der Alb« wollen einfach bummeln und »auch mal ohne die Männer einen schönen Tag haben«, wie auch die drei 17-Jährigen aus Biberach von der Dirndl-Fraktion. Oder die 80-jährige Elisabeth aus Tübingen, die trotz Rollator »nochmals auf den Wasen« wollte. Sogar die Urenkelin ist dabei. Mann Erich will jetzt sein Abschlussbier: »Ist eine schöne Tradition!«

Nach zwei Stunden wird es ziemlich eng in den Gassen, vor allem im Bereich Riesenrad. Voller Betrieb an den Fahrgeschäften insgesamt, Bummelnde mit Getränkebechern, junge Paare mit den einschlägigen Souvenirs. Zwanglose Stimmung und gute Laune allerorten: So sieht das gelungene Frühlingsfest-Finale 2022 aus. (GEA)