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Polizei: Videoüberwachung hilft: »aber kein Allheilmittel«

Rangeln oder Umarmen - solche feinen Unterschiede in der Motorik kann die smarte Videoüberwachung noch nicht erkennen. Beim Pilotprojekt in Mannheim soll eine lernende Software irgendwann aggressives und liebevolles Verhalten unterscheiden können.

Videoüberwachung
Mehrere Überwachungskameras sind an einem Gebäude angebracht. Foto: Carsten Rehder/Archiv
Mehrere Überwachungskameras sind an einem Gebäude angebracht. Foto: Carsten Rehder/Archiv

MANNHEIM. Das deutschlandweit einzigartige Pilotprojekt für die smarte Videoüberwachung in Mannheim ist aus Sicht des zuständigen Polizeipräsidenten Andreas Stenger erfolgversprechend. »Die intelligente Software hat schon viel gelernt und hilft uns, schneller und zielgerichteter zum Einsatzort zu gelangen«, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Mannheim. Wichtig sei auch die Straftaten vorbeugende Wirkung sowohl von konventionellen als auch digitalen Kameras an Kriminalitätsbrennpunkten.

Allerdings sei die vor eineinhalb Jahren initiierte Maßnahme kein Allheilmittel, sondern ein Mosaikstein in einer umfassenderen Interventionsstrategie für den öffentlichen Raum. Diese bestehe aus polizeilicher Präsenz, Kontrolldruck an relevanten Orten und niederschwelligem Einschreiten bei Ordnungsstörungen und Straftaten.

Bislang sind 68 von 72 geplanten Digital-Kameras an Orten mit laut Statistik erhöhtem Verbrechensaufkommen installiert. Nur wenn dieses vorliegt, hat die Überwachung eine Rechtsgrundlage. Kriminalitätsschwerpunkte sind der Bahnhofsvorplatz, der Parade-, Markt- und der Messplatz sowie Teile der Einkaufsmeile Breite Straße.

Damit Straftäter wie Taschendiebe nicht anderswo ihr Unwesen treiben, habe die Polizei den sogenannten Videoschatten - also Plätze ohne Überwachung, aber mit Kriminalitätspotenzial - besonders im Blick, erläuterte Stenger. »Wir wollen keine Kriminalitätsverlagerung, sondern bestenfalls bereits agieren, bevor etwas passiert«.

Stenger verspricht sich von dem neuen System deutlich verbesserte Interventionszeiten. Im Schnitt liege die Spanne von der Meldung einer Gefahrensituation oder Straftat bis zum Eingreifen der Beamten bei gut zwei Minuten. Bei der konventionellen Videoüberwachung sitzen pausenlos Beamte vor den Monitoren; bei der smarten Version sichten sie im Endausbau nur die dem Lagezentrum vom System gemeldeten verdächtigen Bewegungsmuster. Damit kann Personal eingespart und für andere Aufgaben eingesetzt werden.

Bislang könne die Software schon zwischen Gegenständen wie einem liegen gebliebenen Koffer und einem Menschen unterscheiden, sagte Stenger. Auch grobmotorische Bewegungen wie Schlagen, Treten, Fallen, die auf eine Straftat hinweisen könnten, filtere das System bereits heraus. Es gebe aber auch noch Fehlalarme, weil der Unterschied zu harmlosen Bewegungen - etwa einer Umarmung - nicht erkannt wird. »Damit die derzeit noch im unteren zweistelligen Bereich liegende tägliche Fehlerquote geringer wird, müssen wir die Software weiter mit Daten füttern«, sagte Stenger. Deshalb sei das Vorhaben auch auf fünf Jahre angelegt. Von voreiligem Lob hält er nichts: »Abgerechnet wird zum Schluss. «

Das Karlsruher Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung hat das System nach den polizeilichen Bedürfnissen entwickelt. Dabei wurde das Thema Datenschutz ernst und der oberste Datenschützer mit ins Boot genommen. »Die enge Kooperation mit dem Landesdatenschutzbeauftragten Stefan Brink ist ein Erfolgsgarant«, betonte Stenger. Auf die Überwachung wird mit Schildern hingewiesen. Brink sieht in der Innovation einen deutlichen Vorteil für den Datenschutz: Die Polizei schaue sich dabei nur verdächtige Szenen an, statt wie bislang das gesamte Bildmaterial zu sichten. (dpa)