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Polizei-Affäre: Beschuldigter verschickte Nacktbilder

Eineinhalb Jahre nach Bekanntwerden des Sex-Skandals im Innenministerium beginnt der Prozess gegen den einst höchstrangigen Polizisten des Landes. Kurz vor dem Auftakt kommen neue, schmutzige Details ans Licht - die sehr weit zurückreichen.

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Ein Smartphone wird gehalten. Foto: Sebastian Gollnow
Ein Smartphone wird gehalten.
Foto: Sebastian Gollnow

Was da passiert ist an diesem Freitagabend, am 12. November 2021, das lässt einen schon zumindest staunend zurück - egal wie die Sache am Ende ausgeht. Der ranghöchste Polizist des Landes trifft sich für ein Personalgespräch mit einer jüngeren Kommissarin am Nachmittag in seinem Büro. Es geht um ihre Karriereambitionen und um seine Rolle als ihr Coach oder Mentor. Dabei fließt Sekt. Am Abend ziehen die beiden weiter - zunächst mit einem Kollegen in die Bar um die Ecke, dann in der Nacht in eine weitere Kneipe. Sie sind jetzt nur noch zu zweit, trinken stundenlang, tauschen Zärtlichkeiten aus. Um 3.00 Uhr nachts verlassen sie das Lokal, gehen in eine dunkle Gasse. Während er uriniert, berührt sie sein Glied. Danach gehen sie zurück in die Bar, anschließend nach Hause. Soweit die Faktenlage.

Die Ereignisse dieser Nacht beschäftigen - und beschädigen - die Polizei im Südwesten nun seit fast eineinhalb Jahren. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss wurde ins Leben gerufen, um die Beförderungspraktiken und das Thema sexuelle Belästigung bei der Polizei zu durchleuchten. Auch Innenminister Thomas Strobl (CDU), ein früher Förderer des damaligen Inspekteurs, geriet gehörig unter Druck, weil er ein Schreiben des Anwalts des Inspekteurs an einen Journalisten weitergab. Der Untersuchungsausschuss läuft weiter.

Ab diesem Freitag steht der Inspekteur der Polizei Landes vor Gericht. Der Vorwurf lautet: Sexuelle Nötigung. Die Kommissarin fühlt sich bedrängt und genötigt. Sie zeichnet im Anschluss an die Nacht ein Gespräch mit dem Polizisten auf, in der er den Vorwürfen zufolge Karrierevorteile gegen eine gewisse Form des privaten Kontakts in Aussicht stellt. Die Beamtin wendet sich mit dem Mitschnitt an die Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz. Der Inspekteur wird suspendiert. Aus seiner Sicht war alles einvernehmlich. Was wirklich passiert ist, soll der Prozess klären.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann nach früheren Angaben vor, »hierbei bewusst ausgenutzt zu haben, dass er aufgrund seiner beruflichen Stellung in der Lage war, der Polizeibeamtin im Falle des Widerstands erhebliche berufliche Nachteile zu bereiten«. Sein Anwalt, Jens Rabe, hatte angekündigt, für einen Freispruch zu kämpfen. Es sei bedauerlich, dass die Staatsanwaltschaft »bei dieser Beweissituation« überhaupt Anklage erhoben habe.

Kurz vor dem Auftakt am Freitag kommt nun ans Licht, dass der inzwischen suspendierte Inspekteur bereits vor seiner Amtszeit über mehrere Jahre Nacktbilder an Polizistinnen geschickt hatte. Er sendete einem SWR-Bericht zufolge zwischen 2018 und 2020 pornografische Handy-Bilder von sich selbst an mindestens drei Polizistinnen. Der Beschuldigte hatte sein Amt als ranghöchster Polizist des Landes im November 2020 angetreten. Zuvor war er stellvertretender Landeskriminaldirektor im Innenministerium und Vize im LKA.

Das Versenden der Nacktbilder an die drei Polizistinnen wurde den Informationen zufolge erst nach seiner Suspendierung bekannt - durch eine anonyme Anzeige im Dezember 2021. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart bestätigte am Donnerstag, dass man gegen ihn Ermittlungen wegen des Verdachts der Verbreitung pornografischer Inhalte geführt habe. Diese Ermittlungen habe man aber wegen mangelnden hinreichenden Tatverdachts eingestellt.

Die Opposition ist empört angesichts der Vorgänge - und sieht die Wurzel des Übels erneut in der Personalpolitik von Innenminister Thomas Strobl (CDU). Der verantworte den »größten Personalskandal der Landesgeschichte«, teilte die innenpolitische Sprecherin der FDP, Julia Goll, am Donnerstag mit. »Wäre vor Personalentscheidungen sorgfältig und umfassend geprüft worden, statt dem eigenen Haus informell einen Wunschkandidaten vorzugeben, wäre den Beamtinnen und der Polizei insgesamt einiges erspart geblieben.« Die SPD nennt die neuen Enthüllungen erschreckend und widerwärtig. SPD-Innenpolitiker Sascha Binder sprach von einer »beispiellosen Turbo-Beförderung« des Inspekteurs an die Spitze der Landespolizei.

Das Ministerium hatte in der Vergangenheit bekräftigt, dass die Beförderung mit rechten Dingen zugegangen sei.

© dpa-infocom, dpa:230420-99-382631/4