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Pilotprojekt: Land will Computer in Gefängniszellen testen

Ohne Apps und Computer geht im Alltag für viele heute nichts mehr. Doch Häftlinge leben an der digitalen Welt vorbei. Ein Pilotprojekt soll die Weichen für die Digitalisierung hinter Gittern stellen.

Justizvollzugsanstalt
Der Neubau der Justizvollzugsanstalt Ravensburg. Foto: Felix Kästle/DPA
Der Neubau der Justizvollzugsanstalt Ravensburg.
Foto: Felix Kästle/DPA

Häftlinge in Baden-Württemberg sollen künftig in ihren Zellen Zugang zum Internet bekommen. Das Justizministerium bereitet ein entsprechendes Pilotprojekt vor. Nach aktuellem Stand werde das Projekt vorzugsweise im offenen Vollzug getestet, teilte das Justizministerium auf Anfrage mit. Gerade wenn ein Gefangener auf seine Entlassung vorbereitet werde, biete ein solches Haftraummediensystem einen Mehrwert, sagte Justizministerin Marion Gentges (CDU).

»Ohne Internetzugang ist die Wohnungs- und Jobsuche sowie der Kontakt zu Behörden und Sozialarbeitern nur schwer möglich«, so die Ministerin weiter. Aber natürlich sei auch klar, dass die Nutzung an Bedingungen und Regeln gebunden sei. »Sinn und Zweck der Digitalisierung in Hafträumen ist nicht, dass die Häftlinge nur Computer spielen oder unkontrolliert im Internet surfen.«

Der Zugang zum Netz wird laut Justizministerium eingeschränkt und kontrolliert. Im Vergleich zu normalen Laptops oder Computern, seien Haftraummediensysteme so konzipiert, dass sie streng kontrollierbar seien. Sie sollen den Häftlingen auch digitale Services bieten - darunter Filme, Musik, E-Learning, Seelsorge sowie ein JVA-internes Schwarzes Brett. 200.000 Euro waren für den Modellversuch »Resozialisierung durch Digitalisierung« veranschlagt.

Derzeit werde die Ausschreibung des Projekts vorbereitet und die technische Umsetzbarkeit in Justizvollzugsanstalten geprüft. Die verschiedenen am Markt erhältlichen Systeme hätten gezeigt, dass Computer in Zellen bei der Resozialisierung helfen könnten, sagte Gentges.

Auch zur Sicherheit in den Anstalten sollen die Systeme beitragen. Durch die Möglichkeit E-Mails statt Briefe zu senden, könnten Drogen nicht mehr den Weg über die Gefangenenpost nehmen. Gleichzeitig gebe es gute Überwachungsmöglichkeiten.

Auch weniger Ausgänge seien denkbar. Durch Videotelefonie könnten Behördengänge etwa zum Jobcenter oder Jugendamt ersetzt werden, die sehr aufwendig zu organisieren und immer ein Sicherheitsrisiko seien.

Bisher stehe nicht fest, in welcher Justizvollzugsanstalt wie viele Haftplätze mit dem sogenannten Haftraummediensystem ausgestattet werden können. Dies hänge unter anderem davon ab, wie etwaige, auf die Ausschreibung hin abgegebene Angebote ausgestaltet seien.

Angekündigt hatten das Pilotprojekt im Herbst 2022 die Koalitionsfraktionen CDU und Grüne sowie das Justizministerium. Es sollte 2024 starten. Wann genau die ersten Zellen ausgestattet werden sollen, steht laut Justizministerium aber bisher nicht fest.

Digitale Angebote wie Online-Jobbörsen, Telemedizin und Lernplattformen seien in Gefängnissen bereits verankert. Das Thema Sicherheit stehe auch hier immer im Mittelpunkt. »Gerade die Telemedizin ist im baden-württembergischen Vollzug in jüngster Zeit sehr stark ausgebaut und genutzt worden. 2023 war bisher das Jahr mit den meisten Einsätzen«, erklärte das Ministerium.

Einen Austausch über eine mögliche Ausgestaltung des Projekts gab es den Angaben nach mit den schweizerischen Justizbehörden, die an einer »Digitalstrategie Justizvollzug 2030« arbeiten würden. Und auch bundesweit seien bereits Computer im Rahmen von Pilotprojekten in Gefängnissen im Einsatz.

»Ein Leben ohne Computer und Internet ist in Freiheit nicht mehr vorstellbar - und darf daher auch nicht in Haft verlernt werden«, erklärte die rechtspolitische Sprecherin der Grünen, Daniela Evers. Es sei die Aufgabe des Justizvollzugs, die Gefangenen auf ein Leben nach Verbüßung der Strafe vorzubereiten.

© dpa-infocom, dpa:240209-99-925922/3