Mit Blick auf die gegenwärtigen Krisen erwartet der Pforzheimer Oberbürgermeister Peter Boch, dass Stadtparlamente nach der Kommunalwahl im kommenden Jahr weiter zersplittern. Momentan sei die Gesellschaft sehr gespalten, sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Im Pforzheimer Gemeinderat sind derzeit zehn Fraktionen und Gruppierungen vertreten. 13 Listen waren in den Gemeinderat gewählt worden, teils haben sie sich zusammengeschlossen.
Explizit von einem Rechtsruck sprach Boch nicht. »Aber jemand, der bislang nicht in der Verantwortung war oder ist, hat es natürlich einfacher mit populistischen Äußerungen«, sagte der CDU-Mann. Mit 15,8 Prozent lag der Stimmenanteil für die AfD bei der Landtagswahl 2021 in Pforzheim so hoch wie in keinem anderen Wahlkreis. Fünf Jahre zuvor hatte die AfD hier - wie in Mannheim - ein Direktmandat geholt.
»Demokratie ist nicht immer einfach«, sagte der Oberbürgermeister. Wenn in einem Gremium aber immer mehr Gruppierungen und Fraktionen sind, ließen sich Einzelmeinungen kaum noch zusammenführen und in einen Kompromiss einschließen. »Dort Mehrheitsfindung zu betreiben, das wird spannend«, sagte der Rathauschef. »Und da hebelt sich Demokratie vielleicht ein Stück weit auch aus.«
Transparenz und Bürgerbeteiligung seien wichtig und wünschenswert. »Wir wollen ja, dass sich jeder Gedanken macht, wie es mit der Stadt weitergehen soll«, erklärte Boch. »Aber die Kompromissfähigkeit muss es geben, denn ansonsten steuern wir auf eine Unregierbarkeit hin.«
Derzeit gebe es viel Verunsicherung, sagte der Oberbürgermeister und nannte die Themen Energie, Inflation, Krieg und bezahlbarer Wohnraum. Politiker müssten Lösungswege aufzeigen und Hoffnung geben. »Wir tun alle gut daran, wenn wir hier Ruhe in den Karton reinkriegen.«
Nichts sei näher an Menschen als Kommunalpolitik. Beim Heizungsgesetz etwa habe »hier die Hütte gebrannt«, sagte Boch. »Bei mir saßen Leute am Tisch und haben geweint, weil sie nicht wissen, was auf sie zukommt. Das sind Ängste, die auf kommunaler Ebene aufschlagen.«
Auch das Thema Flüchtlinge könnte nach seiner Einschätzung den Wahlkampf dominieren - seien es solche aus der Ukraine oder anderen Ländern. Es gebe weltweite Fluchtbewegungen, nicht zuletzt getrieben durch den Klimawandel. »Das wird ein gesamtgesellschaftliches Thema bleiben«, sagte Boch. Die Kommunen stünden vor dem Problem, dass man Geld und Flächen nur einmal nutzen könne, es aber vielfachen Bedarf gebe: für Flüchtlingsunterkünfte, für den Bau von Kitas oder Schulen, für (sozialen) Wohnungsbau oder um Bestand energetisch zu sanieren.
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