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Pflegekammer vor dem Aus: Lucha rechnet mit Ablehnung

Bis vor wenigen Tagen konnten die Pflegekräfte im Land darüber abstimmen, ob sie eine Pflegekammer haben wollen. Nun zeichnet sich ab, dass die Kammer abgelehnt wird, sagt der Sozialminister.

Sozialausschuss des Landtags von Baden-Württemberg
Manfred Lucha (Bündnis 90/Die Grünen), Minister für Soziales und Integration in Baden-Württemberg, spricht im Landtag bei einer Sitzung des Sozialausschuss des Landtags von Baden-Württemberg. Foto: Bernd Weißbrod/DPA
Manfred Lucha (Bündnis 90/Die Grünen), Minister für Soziales und Integration in Baden-Württemberg, spricht im Landtag bei einer Sitzung des Sozialausschuss des Landtags von Baden-Württemberg.
Foto: Bernd Weißbrod/DPA

Baden-Württembergs Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) geht davon aus, dass im Südwesten keine Pflegekammer eingerichtet wird. »Es zeichnet sich ab, dass das Quorum für eine Pflegekammer in Baden-Württemberg nicht erreicht wird«, sagte Lucha am Mittwoch im Sozialausschuss des Landtags in Stuttgart. Er bedauere das. Man müsse sich überlegen, warum man die Pflegekräfte nicht von den Vorzügen der Kammer habe überzeugen können.

Konkrete Zahlen könne er nicht nennen, weil die Einwendungen erst noch geprüft werden müssten. Es sei aber nicht absehbar, dass sich der Trend noch ändere.

Der Landtag hatte im vergangenen Mai den Weg zur Gründung einer Pflegekammer frei gemacht. Sie kann den Pflegefachkräften aus Sicht der grün-schwarzen Landesregierung eine Stimme geben und das Berufsbild schärfen.

Gegründet sollte die Kammer aber nur werden, wenn sie von einer Mehrheit der Pflegefachkräfte gewollt ist. Dafür hätte ein Quorum von mindestens 60 Prozent Zustimmung erreicht werden müssen.

Bis zum 23. Februar konnten mehr als 110.000 angeschriebene Pflegekräfte Einwände gegen die Errichtung der Kammer erheben. Gewerkschaften und die Opposition hatten das Verfahren scharf kritisiert und als undemokratisch bezeichnet.

Auch hatte es mehrere Probleme in dem Verfahren gegeben. So habe man etwa 3100 Pflegekräfte wegen fehlender oder falscher Adressen nicht anschreiben können, hatte der Gründungsausschuss der Pflegekammer mitgeteilt. Alle weiteren Probleme in dem Verfahren hätten behoben werden können.

Aber auch an der Kammer selbst hatte es teils scharfe Kritik gegeben. Hauptpunkt: Die meisten Pflegekräfte müssten zahlende Mitglieder der Pflegekammer sein. Ausnahmen sollte es nur für Auszubildende, Pflegehelferinnen und Pflegehelfer sowie Hochschuldozierende geben. Das Land verfolgte den Plan für eine Pflegekammer bereits seit 2016.

SPD-Gesundheitsexperte Florian Wahl sieht in dem Scheitern der Kammer einen »persönlichen Supergau« für Lucha. »Kein anderes Projekt hat er so mit seinem Namen verbunden wie die Einführung der Pflegekammer. Er hat dafür geworben, bis an die Grenzen des Zulässigen«, sagte Wahl. Nun habe sich gezeigt, dass die Pflege dem Minister nicht folge. »Das führt einen massiven Vertrauensverlust vor Augen, die der Sozialminister nach der Coronakrise unter den Pflege-Beschäftigten hat«, sagte Wahl.

Der FDP-Abgeordnete Jochen Haußmann bot Lucha an, die Pflege auch nach der gescheiterten Pflegekammer weiter in den politischen Fokus zu nehmen. »Dafür stehen wir zur Verfügung«, sagte Haußmann. Man habe bereits konkrete Vorschläge gemacht, die Pflege in Baden-Württemberg zu stärken.

Die CDU nahm das mutmaßliche Scheitern der Kammer zur Kenntnis. »Für uns gilt, was wir im Hinblick auf die Pflegekammer immer gesagt haben: Wir sehen sie als Angebot an die Pflege, welches diese annehmen und selbstverständlich auch ablehnen kann, und wir werden jeglichen Ausgang des Registrierungsverfahrens respektieren«, sagte der Sprecher der CDU-Fraktion für Pflegepolitik, Tim Bückner.

Es sei klug, auf die Beschäftigten zu hören, sagte der Landesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Kai Burmeister. »Leider wollte die Landesregierung mit dem Kopf durch die Wand. So ist viel Zeit verloren gegangen«, sagte Burmeister. Nun müsse man eine bessere Personalausstattung in der Pflege angehen.

Pflegekammern wurden nach Rheinland-Pfalz auch in Niedersachsen und Schleswig-Holstein eingerichtet. Allerdings sind sie dort bereits wieder abgeschafft worden, weil der Unmut über Pflichtmitgliedschaft, Zwangsbeiträge und zum Teil auch Management der Kammern in beiden Bundesländern zu groß war. Neben Rheinland-Pfalz gibt es derzeit noch eine Pflegekammer in Nordrhein-Westfalen.

© dpa-infocom, dpa:240228-99-156672/4