Boris Palmer gibt sich nach seinem Sieg bei der Oberbürgermeisterwahl in Tübingen weiter streitlustig. »Eine Demokratie, in der nicht gestritten wird, ist keine«, sagte er der Deutschen Presse-Agentur und zitierte damit einen Spruch des verstorbenen Altkanzlers Helmut Schmidt (SPD). Palmers Mitgliedschaft bei den Grünen ruht derzeit wegen Streitereien um Tabubrüche und Rassismusvorwürfe. »Die negative Bewertung des Wortes Streit halte ich für einen schweren Fehler«, sagte Palmer. »Ich finde, diese Partei sollte streiten.«
Am Sonntag war Palmer für weitere acht Jahre als Oberbürgermeister gewählt worden. Er setzte sich nach Angaben der Stadt mit einer absoluten Mehrheit von 52,4 Prozent der Stimmen gegen seine Konkurrenten durch. Und das gegen den Widerstand der eigenen Partei: Palmer war wegen innerparteilichen Zoffs nicht für die Grünen, sondern als unabhängiger Kandidat angetreten. Seine Parteimitgliedschaft ruht noch bis Ende 2023.
Der Grünen-Landesverband reagierte am Montag zurückhaltend auf den Wahlsieg des bundesweit bekannten Stadtoberhaupts. Man gratuliere Boris Palmer zur Wiederwahl als Tübinger Oberbürgermeister und danke Ulrike Baumgärtner für ihren engagierten Wahlkampf, teilte eine Sprecherin in Stuttgart auf Anfrage mit. Zu möglichen Auswirkungen der Wahl auf die ruhende Parteimitgliedschaft Palmers verwies sie auf das bereits abgeschlossene Parteiordnungsverfahren und dabei vereinbarte Gespräche im kommenden Jahr.
Hunderte Bürger hatten sich am Sonntagabend vor dem Rathaus versammelt, um die Auszählung des Ergebnisses zu verfolgen - und um Palmer zu gratulieren. Aber auch Buhrufe waren zu hören. Rund 69.000 Tübingerinnen und Tübinger waren wahlberechtigt. Palmers Konkurrentin Ulrike Baumgärtner, die für die Grünen ins Rennen gegangen war, kam auf 22 Prozent der Stimmen, Sofie Geisel (SPD, von der FDP unterstützt) auf 21,4 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag mit 62,6 Prozent ungewöhnlich hoch.
An seine Gegner richtete Palmer am Montag versöhnliche Worte: »Lassen Sie uns aufeinander zugehen und nach dem Streit die Hand geben«, schrieb der 50-Jährige auf seiner Facebook-Seite. »Die Zeiten, die vor uns liegen, sind schwer genug.« Man könne sie nur bewältigen, wenn man im Innern stark und einig sei. Dafür wolle er seinen Beitrag in den kommenden acht Jahren leisten, so Palmer.
Zugleich dankte er seinen Unterstützern. »Es ist eine ungewöhnliche Situation, ohne Partei im Rücken in einen solchen Wahlkampf zu gehen.« Seine Absicht und sein Angebot sei es, für seine Partei mitzuwerben, miteinzutreten und die Werte, die ihm wichtig seien, hochzuhalten. Ökologie sei das einigende Band der Grünen, das werde er künftig wieder stärker hervorheben.
Palmer ist bereits seit 16 Jahren Stadtoberhaupt. Er hatte im Vorfeld erklärt, nicht mehr beim zweiten Wahlgang antreten zu wollen, sollte er in der ersten Runde nicht vorne liegen.
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