Wie kann der Ausbau der Windkraft beschleunigt werden? Was hindert Verwaltungen an schnellen Genehmigungen für Anlagen? Was brauchen Unternehmer, um die Windräder schnell aufzubauen? Antworten auf diese Fragen erhofft sich das Bundeswirtschaftsministerium von Expertinnen und Experten aus der Praxis. Bei einem sogenannten Praxis-Check haben sich am Freitag in Stuttgart Vertreterinnen und Vertreter aus der Verwaltung und von Unternehmen über Hemmnisse bei der Genehmigung von Windkraftanlagen ausgetauscht.
Dazu war auch Franziska Brantner (Grüne), Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, nach Stuttgart gekommen. Sie betonte die Bedeutung des schnellen Windkraftausbaus - auch aus wirtschaftlichen Gründen. »Es ist zunehmend ein Standortkriterium, dass man direkt vor Ort günstige grüne Energie hat.« Die Anregungen und Vorschläge der Praktiker sollen jetzt ausgewertet werden. Bei einem zweiten Workshop wollen dann die Bundesebene und die Landesebene konkrete Lösungsvorschläge unterbreiten und erfahren, ob diese im Sinne der Praktiker wären.
Neben den Gesprächen mit den Expertinnen und Experten besichtigte die Staatssekretärin auch die Baustelle eines Windparks, wo die Probleme beim Ausbau der Windkraft deutlich wurden. Seit 2015 hat der Windkraftentwickler Uhl Windkraft aus Ellwangen (Ostalbkreis) eine Fläche oberhalb von Ebersbach an der Fils im Landkreis Göppingen gepachtet und will seither dort Windräder errichten. Noch dreht sich dort allerdings nichts. Erst im dritten Quartal 2024 soll der Windpark Königseiche Stand Jetzt ans Netz gehen - dann neun Jahre nach Beginn des Projektes.
»Das Verfahren war nicht das einfachste«, erklärte Projektleiter Philip Gohl. So seien sehr kleinteilige Debatten mit einer aktiven Bürgerinitiative notwendig gewesen, strittig sei vor allem der Artenschutz des Rotmilans gewesen. Immer wieder seien potenzielle neue Horste des Vogels gemeldet worden, erklärte Gohl. Das habe die Artenschutzprüfung sehr verzögert. Ein großes Problem sei auch der Fachkräftemangel, so seien Artenschutzgutachter über Jahre hinaus ausgebucht, sagte Gohl.
Aus Sicht der Genehmigungsbehörden wären einheitliche Standards notwendig, etwa wie Fragen des Artenschutzes für ein Genehmigungsverfahren geklärt werden sollen. »Standardisierte Erhebungsverfahren machen es für uns sehr viel einfacher«, sagte Jochen Heinz, erster Landesbeamter des Landkreises Göppingen. Dann könne es auch keinen Streit verschiedener Gutachter geben.
Weiteres Problem der Genehmigungsbehörden: Auch dort schlägt der Fachkräftemangel zu. Zudem berichteten mehrere Landratsämter beim Praxis-Check, dass die Behörden in einigen Verfahren von Stellungnahmen und Einwänden regelrecht überhäuft würden, die alle abgearbeitet werden müssten.
Um Behörden zu entlasten und Verfahren zu beschleunigen, will das Land deswegen künftig auch Künstliche Intelligenz (KI) bei der Bearbeitung von Genehmigungsverfahren einsetzen, sagte Staatsminister Florian Stegmann (Grüne), Chef der Stuttgarter Staatskanzlei, beim Praxis-Check. »Wir sind ganz konkret dran, dass wir jetzt KI einsetzen bei der Erstellung von Bescheiden«, sagte Stegmann.
Eine von KI unterstützte Software für die Genehmigungsbehörden sei derzeit ausgeschrieben, teilte eine Sprecherin des Staatsministeriums mit. Das Programm solle künftig die Bearbeiterinnen und Bearbeiter bei der Prüfung von Genehmigungsanträgen unterstützen und beispielsweise Hinweise zur Auslegung der Rechtslage geben.
Insgesamt waren laut Umweltministerium in Baden-Württemberg Stand Ende September 770 Windenergieanlagen in Betrieb. Im Jahr 2023 wurden bis dahin zehn Windenergieanlagen in Betrieb genommen. Genehmigt wurden in diesem Jahr bis zu diesem Zeitpunkt 43 Windenergieanlagen.
Mit der Einrichtung einer Taskforce hatte die Landesregierung 2021 auf den schleppenden Ausbau der Windkraft reagiert. Ein Gremium aus Fachleuten und Amtsleitern sollte Vorschläge erarbeiten, um den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Baden-Württemberg zu beschleunigen und vor allem Planungsverfahren für Windkraftanlagen zu verkürzen.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte die Ergebnisse der Taskforce, die inzwischen ihre Arbeit beendet hat, im Juni gelobt. Die Dauer einer Genehmigung für ein Windrad sei von einst sieben Jahren halbiert worden, es würden deutlich mehr Flächen für die Windenergie bereitgestellt.
© dpa-infocom, dpa:231020-99-638222/3