Sie wüten meist im Netz, die Trolle und die Hetzer, und sie werden immer aktiver: Die Zahl von Hassdelikten sowie judenfeindlichen Straftaten in Baden-Württemberg steigt weiter an. Das Innenministerium verzeichnete im ersten Quartal 2022 verglichen mit dem Vorjahreszeitraum einen Anstieg der Fallzahlen bei der Hasskriminalität von 123 auf 144 Fälle, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr. Meistens geht es um Volksverhetzungen, Gewaltdarstellungen und Beleidigungen - aber auch drei Gewaltdelikte sind darunter. Die meisten Fälle werden dem politisch rechten Spektrum zugeordnet. 36 Fälle wurden im Internet verübt. Ein Trend für das Gesamtjahr 2022 lasse sich aus den Fallzahlen bislang noch nicht ableiten, hieß es aus dem Ministerium.
»Aus hasserfüllten Worten werden zu oft grausame Taten«, betont Innenminister Thomas Strobl (CDU). Deshalb stelle sich die Landesregierung geschlossen gegen das »zersetzende Gift« von Hass und Hetze. Unter dem Titel »Klick. Klick. Hass - Das Internet - (K)ein Raum für Hatespeech« hatte Strobl am Dienstag zu einem Fachtag in Stuttgart eingeladen. Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Polizei diskutierten dabei den richtigen Weg im Kampf gegen Hass und Hetze.
Auch gegen Jüdinnen und Juden gerichtete Hasskriminalität hat zuletzt in Baden-Württemberg zugenommen. Im vergangenen Jahr stiegen antisemitisch motivierte Straftaten im Südwesten von 228 (2020) auf 337 Fälle - ein Zuwachs von fast 50 Prozent. Im ersten Quartal 2022 wurden 59 antisemitische Straftaten verzeichnet - ebenfalls mehr als im ersten Quartal 2021 (55). Die Behörden verzeichneten auch eine Gewaltstraftat. Zudem wurden im ersten Quartal zwei sogenannte antiziganistisch motivierte Straftaten, die sich zum Beispiel gegen Sinti oder Roma richten, registriert - eine Beleidigung und eine Volksverhetzung. Diese Art der Straftaten läge im Südwesten konstant auf niedrigem Niveau, hieß es aus dem Innenministerium.
Nach Angaben Strobls ist das Internet für die Hälfte der Hasskriminalität im Land verantwortlich. »Das Internet ist ein Superspreader«, sagte Strobl beim Fachtag. »Die Pandemielage hat das noch einmal wie ein Brandbeschleuniger befeuert.«
Bei Hasskriminalität handelt es sich nach einer bundeseinheitlichen Definition um politisch motivierte Straftaten, die auf Vorurteilen beruhen. Diese beziehen sich etwa auf die Hautfarbe, das äußere Erscheinen oder die sexuelle Orientierung. Ziel solcher Straftaten sei es, die Opfer zu erniedrigen und von der gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen. Antisemitische Straftaten sind nach Angaben des Innenministeriums eine Teilmenge der Hasskriminalität.
Strobl betont immer wieder, die statistisch erfasste Hasskriminalität sei nur die Spitze des Eisbergs. Im November rief das Land daher einen Kabinettsausschuss gegen Hass und Hetze ins Leben. Neben Vertretern aus Staats-, Innen-, Kultus-, Sozial- und Justizministerium sollen Experten aus Religionsgemeinschaften und der Zivilgesellschaft den Ausschuss je nach Thema unterstützen. Eine Task Force, angebunden ans Landeskriminalamt, soll zudem einschlägige Bedrohungen im Bereich Hass und Hetze feststellen. Mit einer neuen Social-Media-Kampagne sollen die Menschen im Sommer 2022 sensibilisiert werden.
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