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Neckarwestheim als Notreserve: Viele Fragen offen

Kommando zurück, ein bisschen zumindest: Statt Ende des Jahres endgültig vom Netz zu gehen, sollen zwei deutsche Atommeiler, darunter das Kernkraftwerk Neckarwestheim, als Notreserve vorgehalten werden. Wie genau das gehen soll, ist noch offen.

Thekla Walker
Thekla Walker, Umweltministerin von Baden-Württemberg. Foto: Tom Weller
Thekla Walker, Umweltministerin von Baden-Württemberg.
Foto: Tom Weller

Nach der Ankündigung aus Berlin, zwei süddeutsche Atommeiler als Notreserve vorzuhalten, ist noch unklar wie das vonstatten gehen könnte. Die Betreiberin des Kernkraftwerks Neckarwestheim II, der Karlsruher Energiekonzern EnBW, wollte sich auf Nachfrage am Dienstag nicht weiter äußern. Man könne nur wiederholen, dass nun zunächst die Bundesregierung die vom Bundeswirtschaftsminister vorgeschlagene Vorgehensweise weiter konkretisieren müsse. Erst dann könne geprüft werden, wie die Betriebsbereitschaft des Kraftwerks über das Jahresende hinaus aufrechterhalten werden könne.

Neckarwestheim II sollte zum Jahresende eigentlich endgültig vom Netz gehen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte bei der Vorstellung der Ergebnisse eines zweiten Netz-Stresstests am Montag aber angekündigt, dass zwei der drei verbliebenen Atomkraftwerken in Deutschland bis Mitte April als Notreserve dienen sollen - darunter der Meiler im Landkreis Heilbronn.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nannte die Habecks Entscheidung richtig und angemessen. »Die oberste Priorität hat die Versorgungssicherheit im kommenden Winter - vor allem mit Blick auf die Netzstabilität«, sagte er. Mit dem Stresstest stehe fest, dass es sinnvoll und notwendig sei, entsprechende Vorbereitungen für Neckarwestheim II und das Kernkraftwerk Isar in Bayern zu treffen. Der Atomausstieg stehe damit keinesfalls in Frage. Besondere Zeiten erforderten aber besondere Maßnahme. Es werde dafür Sorge getragen, dass die Sicherheit für Mensch und Umwelt garantiert sei.

Mit den Plänen werde man leben können, sagte auch Gabi Rolland, umweltpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion. »Dieses Modell bedeutet ausdrücklich keine Laufzeitverlängerung des Atomkraftwerks Neckarwestheim II, sondern eine reine Vorsorge für Notfälle«, sagte sie. Um kurzfristige Flauten abzufangen sei der Reaktor aber ungeeignet. Es dauere gut eine Woche, ihn hochzufahren. »Es müssten gewaltige, wochenlange Versorgungslücken entstehen, damit sich das Hochfahren überhaupt lohnt«, betonte sie.

Der Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) nannte die Pläne für eine Notreserve unverantwortlich. Die beiden betroffenen Kraftwerke liefen bereits seit drei Jahren ohne gültige Sicherheitsnachweise, hieß es von dort. Im AKW Neckarwestheim seien zudem wiederholt Dutzende Risse in sicherheitsrelevanten Rohrleiten entdeckt worden. Der Landesverband prüfe eine Klage.

AfD-Fraktionschef Bernd Gögel nannte den Vorschlag eines »bloßen Reservebetriebs« einen Witz. Der Stresstest habe klar gezeigt, dass Stromengpässe nicht auszuschließen seien. »Alle verbliebenen Kernkraftwerke müssen weiterlaufen.«

Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) hatte direkt nach Habecks Entscheidung am Montagabend auf noch offene Fragen verwiesen. Sie wollte umgehend mit dem Bund das weitere Vorgehen besprechen und »insbesondere sicherheitstechnische Aspekte klären«, hatte sie gesagt. Details zu den Gesprächen gebe es noch nicht, sagte am Dienstag eine Ministeriumssprecherin.

© dpa-infocom, dpa:220905-99-643163/4