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Narrengericht verurteilt Kubicki zu 210 Litern Wein

Nach zwei Jahren Pandemie-Pause tagte das Narrengericht wieder. Angeklagt war FDP-Vize Wolfgang Kubicki. In seiner Verteidigungsrede zeigt er sich selbstironisch. Die meisten Lacher bekam er aber bei Witzen auf Kosten anderer.

Wolfgang Kubicki (FDP, r)
Wolfgang Kubicki (FDP, r) hat die Narrenkappe des Laufnarrs vom Stockacher Narrengericht auf. Foto: Felix Kästle
Wolfgang Kubicki (FDP, r) hat die Narrenkappe des Laufnarrs vom Stockacher Narrengericht auf.
Foto: Felix Kästle

Sexistisches Verhalten, Intrigantentum, Königsmord und Gefährdung der politische Kultur: Die Vorwürfe des Stockacher Narrengerichts gegen FDP-Vize Wolfgang Kubicki hatten es in sich. Das Nordlicht aus Schleswig-Holstein nahm es gelassen und ließ sich auch noch in Anzug und Krawatte zum Laufnarren schlagen. Vor einer vollen Halle in Stockach (Kreis Konstanz) verteidigte sich der Jurist am Donnerstagabend gekonnt - und erntete dabei jede Menge Lacher.

Es sei für ihn nicht leicht gewesen, nach Stockach zu kommen, so Kubicki. »Ich wollte mit der Bahn kommen - man hat mir davon abgeraten.« Der Fuhrpark der FDP sei etwas ausgedünnt. »Wir haben nur noch Porsche und Panzer.« Und das Angebot von Friedrich Merz (CDU), dessen Flieger zu nehmen, habe er abgelehnt. Am Ende sei es eine Linienmaschine nach Zürich geworden. Ein Dolmetscher sei ihm versagt worden, doch nach einer gewissen Menge Wein würden alle sowieso die gleiche Sprache sprechen.

Die Sexismus-Vorwürfe gegen ihn würden aber dem Fass den Boden ausschlagen, sagte Kubicki. »Wenn ich mir das Narrengericht so anschaue - keine einzige Frau im Kollegium.« Das müsse sich ändern, forderte er. In puncto Frauen zählten sowieso nur die inneren Werte. Und als ein Mann, der in dritter Ehe verheiratet sei, könne er sich auch keine weitere Scheidung leisten, sagte der 70-Jährige. »Drei Mal Ehe zeigt: Man lernt nie aus.«

Außer mit selbstironischen Sprüchen punktete Kubicki auch mit bissigen Tönen in Richtung der Grünen - etwa mit einer Bemerkung über die Stylistin von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, die die Bürger viele Tausende Euro koste. »Wenn wir Russland schon versehentlich den Krieg erklären, dann wenigsten top gestylt.« Seinen Friseurbesuch habe er übrigens selbst bezahlt.

Und auch die Landesregierung in Baden-Württemberg bekam ihr Fett weg. Mit Blick auf die baldige Legalisierung und den Anbau von Cannabis sagte Kubicki: »Wer sein Land «The Länd» nennt, der muss das schon mal probiert haben.« Er habe sich im Rahmen seiner Möglichkeiten stets rechtstreu verhalten, betonte der Politiker. »Mehr kann niemand erwarten.« Vor dem Narrengericht forderte er seinen Freispruch.

Fastnachts-Richter Jürgen Koterzyna zeigte sich gnädig und sprach Kubicki nur der Gefährdung der politischen Kultur schuldig. Er würde einfach zu oft von seinem Recht der freien Meinungsäußerung Gebrauch machen. Zu 210 Litern Strafwein, Austern und Champagner verdonnerte das Narrengericht den Bundestagsvizepräsidenten - und zu einer Wiederkehr an den Bodensee: Denn Kubicki darf auch noch als Eintänzer bei einer Stockacher Damenrunde auftreten. Der »Verurteilte« nahm den Rechtsspruch an.

Die mehr als 600 Jahre alte Tradition des Narrengerichts in Stockach gehört zu den Höhepunkten der schwäbisch-alemannischen Fastnacht in Baden-Württemberg. Sie geht der Legende nach zurück auf den Hofnarren Hans Kuony des Habsburger Herzogs Leopold I. Als Dank für seine Ratschläge erhielt er 1351 das Privileg, jedes Jahr ein Narrengericht abhalten zu dürfen.

Auf der Anklagebank der Institution saßen bereits Franz Josef Strauß (CSU), Guido Westerwelle (FDP) und Angela Merkel (CDU). In den vergangenen Jahren hatten die Verhandlungen coronabedingt pausiert. Der »Prozess« findet immer am »Schmotzigen Dunschtig« statt.

An dem bundesweit als Altweiberfastnacht bekannten Tag nahm die schwäbisch-alemannische Fastnacht noch einmal Fahrt auf. In zahlreichen Städten und Gemeinden vor allem am Bodensee und in Oberschwaben läutete das närrische Treiben die heiße Phase der Fastnacht ein. Bis in den Abend standen Schulbefreiungen, das Narrenbaumstellen und Umzüge auf dem Programm.

Bei den Narren im Südwesten heißt der Feiertag »Schmotziger Dunschtig« oder »Gumpiger« Donnerstag. Mit Dreck hat der Ausdruck aber nichts zu tun: Er stammt vom alemannischen Wort für Fett oder Schmalz (»Schmotz«). »An diesem Tag ist der Anfang des Verzehrens fetter Fastnachtsspeisen und Steigerung anderer Lustbarkeiten«, heißt es dazu beispielsweise im Glossar der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte.

Die größten Umzüge im Ländle gibt es am Rosenmontag. Am Aschermittwoch endet das ganze Spektakel dann wieder und das Häs - wie das Narrenkostüm auch genannt wird - verschwindet bis zum nächsten Jahr im Kleiderschrank.

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