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Ministerpräsident Kretschmann: Die Zeit des Füllhorns endet

Zum Jahreswechsel sagt der baden-württembergische Ministerpräsident Bürgerinnen und Bürgern Zumutungen voraus. Die Transformation inmitten von Krisen, so seine Botschaft, wird weh tun.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann
Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Foto: Bernd Weißbrod/DPA
Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg.
Foto: Bernd Weißbrod/DPA

Angesichts zahlreicher Krisen plädiert Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann für eine neue Kultur der Sparsamkeit im Land. »Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Zeit des Füllhorns ihrem Ende zugeht«, sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Das Problem aus seiner Sicht sei, dass die Menschen Sparsamkeit gar nicht mehr gewohnt sind. »Alle reden vom Sparen, nur nicht bei sich - das ist nichts Neues. Nur: Wir sparen schon seit vielen Jahren nicht mehr. Es war ja immer mehr da zu verteilen. Das ist der Fluch einer langen Prosperitätsphase«, sagte er. »Wir sind wirkliche Einschnitte nicht mehr gewohnt.« Die Opposition wirft Kretschmann vor, genau diese Anspruchshaltung bei den Bürgern in den letzten Jahren geschürt zu haben.

»Zumutungen werden kommen. Da gibt es gar kein Vertun«, sagte der Regierungschef zur aktuellen Lage. Kretschmann erinnerte in dem Zusammenhang an die nötigen Ausgaben für die Transformation des Energiesystems, etwa für das Wasserstoffnetz. Oder die Tarifabschlüsse, die fürs Land sehr teuer würden. Mit Blick auf die kommenden Haushaltsverhandlungen im Südwesten sprach er von »viel geringeren Spielräumen«: »Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass wir wieder sparen müssen, um Dinge, die unbedingt notwendig sind, finanzieren zu können - zum Beispiel Grundschulen und die frühkindliche Bildung im Kindergarten.«

Viele Ausgabenpunkte seien zudem kofinanziert zwischen Bund und Ländern, so Kretschmann. »Ich gehe davon aus, dass wir vom Bund noch weniger bekommen werden, als wir eh schon bekommen.« Die Ampel habe durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Haushalt »eine enorme Disruption« erfahren.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke warf Kretschmann in dem Kontext Scheinheiligkeit vor. »Kretschmann hat in seiner Amtszeit nicht nur die gesamten sprudelnden Steuermehreinnahmen verfrühstückt, sondern er hat noch zusätzliche neue Schulden gemacht - und damit natürlich eine Anspruchs- und Erwartungshaltung geschaffen, die ihn jetzt einholt, da sich die Einnahmesituation verschlechtert«, sagte Rülke am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Rülke kritisierte auch, dass die Politik immer wieder nicht mehr zu Beschlüssen stehe, sobald es Widerstand etwa von Interessensgruppen gebe. »Wenn man immer dem nachgibt, der am lautesten schreit, dann wird es schwierig mit der Veränderung.«

Kretschmann plädierte gegenüber der dpa für eine Schuldenbremse, die mehr Investitionen in Zukunftsthemen ermöglicht. Er sei zwar weiter ein Anhänger dieses Mechanismus, sagte er. Aber: »Die Schuldenbremse darf keine Zukunftsbremse sein.« Die Transformation, die man nun in kurzer Zeit machen solle, würde die gegenwärtige Generation überfordern. »Für diesen Bereich muss man sicher an das Design der Schuldenbremse, so dass man die Investitionen auf eine längere Strecke verteilen kann.« Investieren aber müsse man jetzt: »Der Kampf gegen den Klimawandel hat nur ein bescheidenes Zeitfenster.«

Die Union aber habe deutlich gemacht, dass sie die Schuldenbremse nicht ändern wolle, gab Kretschmann zu bedenken. Deshalb halte er als Lösung auch einen Transformationsfonds - für Investitionen etwa in den Klimaschutz - für möglich. »Ich könnte mir vorstellen, dass das ein Weg ist, den auch die Union eher gehen kann als an der Schuldenbremse etwas zu ändern.«

© dpa-infocom, dpa:231228-99-424172/3