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Minister zwischen »Teflon und Pattex«: Thomas Strobl

Thomas Strobl hat schon viele Krisen überlebt. Zuletzt stand er wegen des Durchstechens eines Anwaltsschreibens unter Druck. Aber der Minister kann seinen Kopf über Wasser halten. In der Koalition dürfte von seinem Sturz derzeit auch niemand profitieren.

Thomas Strobl
Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, nimmt an einem Gespräch teil. Foto: Marijan Murat
Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, nimmt an einem Gespräch teil.
Foto: Marijan Murat

Um 10.50 Uhr ist es soweit. Thomas Strobl kommt aus dem Besprechungsraum im Untergeschoss des Landtags und schreitet schwungvoll zum Sitzungssaal. Ihm steht am Freitag ein stundenlanges Verhör durch den Untersuchungsausschuss zur Polizei-Affäre bevor. Quälende Fragen, viele Vorwürfe, persönliche Anschuldigungen. Trotzdem lächelt Strobl, wünscht lautstark »Guten Morgen« in die Runde, schüttelt dem Saaldiener die Hand. Dann verschwindet er im Saal. Dass seine Nacht ziemlich kurz und ungemütlich gewesen sein dürfte, davon lässt er sich nichts anmerken. Seine politische Karriere stand auf dem Spiel - mal wieder, muss man sagen.

Aber Strobl ist eben ein Stehaufmännchen. Immer wieder gelang es ihm in seiner langen Karriere, politische Krisen zu überstehen. Diesmal geht es um ein Anwaltsschreiben. Der Fall ist einfach wie komplex - und ist eigentlich eine Affäre in der Affäre: Der ranghöchste Polizist des Landes, der Inspekteur der Polizei, ist wegen Vorwürfen sexueller Belästigung suspendiert. Der Anwalt des Inspekteurs schickt Strobl ein Schreiben, das der Minister an einen Journalisten weitergibt. Deshalb ermittelt die Staatsanwaltschaft nicht nur gegen den Journalisten, sondern auch gegen Strobl - weil er den Reporter zur Veröffentlichung angestiftet haben soll.

Seit Monaten steht Strobl unter Druck, die Opposition setzte gar einen Untersuchungsausschuss ein. Am Donnerstag gibt Strobl bekannt, dass ihm eine Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage angeboten wurde. 15.000 Euro will er zahlen, um die Sache zu beenden. Lange wurde gerätselt, ob sich ein Innenminister, der für Recht und Ordnung zuständig ist, bei einem solchen Ergebnis im Amt halten kann. Strobl gilt damit zwar juristisch als unschuldig und ist nicht vorbestraft, aber ein Freispruch ist das auch nicht. Strobl wirbt in der CDU-Fraktion und im Präsidium seiner Partei für Unterstützung - mit Erfolg. Auch der Ministerpräsident hält seinem alten Weggefährten die Stange. Für ihn sei die Sache nun erledigt, meldet Winfried Kretschmann (Grüne).

Nur die Opposition, die hat noch viele Fragen. Sie beschuldigt Strobl, sich freigekauft zu haben. Die Abgeordneten versuchen Strobl am Freitag in öffentlicher Sitzung des Untersuchungsausschusses nochmal gehörig unter Druck zu setzen. Wann lag das Angebot der Staatsanwaltschaft vor? Warum hat Strobl bei der Ausschusssitzung im September eine Aussage zu einem Deal verweigert? Hat er nie an Rücktritt gedacht, um Schaden vom Land abzuwenden? Warum nimmt er überhaupt den 15.000-Euro-Deal an und lässt es nicht auf ein Verfahren ankommen, wenn er überzeugt davon ist, im Recht zu sein?

Vor allem bei Fragen zum zeitlichen Ablauf und darüber, wann wer was wusste, bleibt Strobl vage. Wann genau das Angebot der Einstellung vorlag, das wisse er nicht mehr genau, sagt er. Die Gespräche zwischen seinen Verteidigern und der Staatsanwaltschaft hätten eben erst jetzt den erforderlichen »Reifegrad« erlangt. Er sei aber sicher, dass er ein Gerichtsverfahren gewonnen hätte, habe jedoch ein langwieriges Verfahren verhindern wollen. »Ich bin fest davon überzeugt, keine Straftat begangen zu haben, unschuldig zu sein.« Er sei aber eben nicht nur Privatperson, sondern auch Innenminister. Ein Verfahren wäre aus seiner Sicht eine Belastung für die Landesregierung, der Koalition, ihn persönlich gewesen, sagt er.

Zu einer Belastung für die grün-schwarze Koalition wäre auch ein Rücktritt Strobls geworden. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum Strobl seinen Kopf aus der Schlinge ziehen konnte. Kretschmann hat kein Interesse an einem Sturz Strobls, weil er Ruhe und Stabilität will in seiner Regierung und er Strobl vertraut. Und für CDU-Fraktionschef Manuel Hagel, dem an erster Stelle Ambitionen auf die Spitzenkandidatur zur Landtagswahl 2026 nachgesagt werden, kommt ein Rücktritt Strobls und die damit verbundenen Machtvakanzen zu früh.

Die Opposition kocht indes weiter - oder vielleicht gerade deshalb, weil sich die sogenannte Brief-Affäre, die von Anfang an schwer in der Öffentlichkeit zu vermitteln war, gerade ein wenig in Luft auflöst. Strobl hafte eine Mischung aus »Teflon und Pattex« an, befindet die FDP-Abgeordnete Julia Goll. Dass der Minister nach dessen Offensive noch über den Untersuchungsausschuss stolpert, ist deutlich unwahrscheinlicher geworden.

© dpa-infocom, dpa:221020-99-200555/4