Wegen des Brandanschlags auf die Synagoge hat das Ulmer Landgericht einen 47-Jährigen zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Der Mann wurde wegen versuchter schwerer Brandstiftung und gemeinschädlicher Sachbeschädigung am Dienstag schuldig gesprochen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er im Juni 2021 versucht hatte, die Ulmer Synagoge in Brand zu setzen. Außerdem kam die Kammer zu dem Schluss, dass die Tat antisemitisch motiviert war.
Zur Tat hatte der Türke keine Angaben gemacht, sich aber im Vorfeld ausführlich bei dem psychiatrischen Sachverständigen zu den Vorwürfen geäußert. Der Sachverständige berichtete beim Prozessauftakt im Dezember, dass der Angeklagte angegeben habe, dass er auf das Leid der Palästinenser in der Auseinandersetzung mit Israel habe aufmerksam machen wollen.
Der Mann habe ein Zeichen setzen wollen, sagte der Vorsitzende Richter am Dienstag bei der Urteilsbegründung. Vorausgegangen sei der Tat das erneute Aufflammen des Nahost-Konflikts im Mai 2021.
Damals eskalierte der Konflikt unter anderem nach Zusammenstößen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften am Tempelberg (Al-Haram al-Scharif) in Jerusalem und im arabischen Osten der Stadt. Militante Palästinenser im Gazastreifen schossen Tausende Raketen auf Israel, die israelische Armee flog massive Luftangriffe im Gazastreifen. Innerhalb von elf Tagen starben palästinensischen Angaben zufolge 255 Menschen, in Israel nach israelischen Angaben 14.
Landesinnenminister Thomas Strobl erklärte in Stuttgart, dass der Rechtsstaat wirke. Die Polizei habe konsequent ermittelt und den Täter aufgespürt und verhaftet. Das Gericht habe nun eine harte Strafe ausgesprochen. »In Baden-Württemberg bekämpfen wir antisemitische Anschläge entschlossen und unnachgiebig - und es wird nicht nur geredet, sondern konsequent gemacht«, sagte der CDU-Politiker nach Angaben seines Ministeriums.
Der Angeklagte habe überlegt, nach Jerusalem zu gehen und sich wohl als Kämpfer auf palästinensischer Seite einzubringen, sagte der Richter. Das Schicksal palästinensischer Kinder habe ihn wohl stark beschäftigt. Der 47-Jährige sei dann nicht gegangen, aber er habe beschlossen, gegen die Ulmer Synagoge vorzugehen. Bezeichnet habe er sie als »Haus der Juden«.
Mehrere Minuten führte der Richter aus, weshalb die Tat aus Sicht des Gerichts antisemitisch motiviert war. Ein zentraler Punkt der Begründung war etwa das kollektive verantwortlich Machen von Juden für Handlungen des Staats Israels.
Das Gericht ging davon aus, dass die Tat schnell ging. Der Mann sei mit dem Bus und einer mit Benzin gefüllten Flasche zur Synagoge gefahren. Unter dem »Jerusalemfenster« habe er das Benzin entlang der Fassade verschüttet und angezündet. »Um ein Zeichen zu setzen, ist es notwendig, dass es auch wahrgenommen wird«, sagte der Richter. Deswegen ging die Kammer davon aus, dass der Mann wollte, dass das Feuer die Synagoge erfasst. Der Mann habe das Benzin entzündet und sei sofort weggegangen. »Er blieb nicht vor Ort, um zuzuschauen.« Nach der Tat floh der Mann demnach in die Türkei. Er habe sich zwei Jahre der Strafverfolgung entzogen, sich letztendlich aber gestellt.
Dass das Feuer nach kurzer Zeit ausging, lag dem Richter zufolge an der Bausubstanz des Gebäudes. Es war nicht möglich, dass die Synagoge so in Brand gerät. An der Fassade entstanden durch die Tat Brandflecken, Ruß verunreinigte ein Fenster.
Beachten müsse man die nicht-materiellen Auswirkungen der Tat, sagte der Richter. »Infolge der Tat hatten Mitglieder der Gemeinde existenzielle Angst«, führte er aus. »Der Schutz jüdischen Lebens in Deutschland ist auch Aufgabe der Strafjustiz.«
Shneur Trebnik, Ortsrabbiner der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg in Ulm, war bei der Urteilsverkündung anwesend. Im Anschluss sagte er: »Ich hoffe sehr, dass es Abschreckung bringt.« Andere potenzielle Täter sollten merken, dass das Justizsystem in Deutschland funktioniere.
Das Urteil entsprach der Forderung der Staatsanwaltschaft. Es ist noch nicht rechtskräftig. Der Verteidiger des Mannes hatte laut einer Gerichtssprecherin eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen gefordert. Nach der Urteilsverkündung kündigte er an, Rechtsmittel einzulegen.
Mitteilung der Staatsanwaltschaft
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