Anders als in manchen anderen Ländern soll es im Südwesten dabei bleiben, dass nahezu alle Corona-Schutzmaßnahmen Anfang April wegfallen. Im Landtag lehnte eine große Mehrheit aus Grünen, CDU, FDP und AfD am Mittwoch den Antrag der SPD ab, das ganze Land zum Hotspot zu erklären. Mit einem solchen Beschluss hätten Maßnahmen wie Maskenpflicht und 3G-Zugangsregeln zumindest im April aufrechterhalten werden können. In den SPD-geführten Ländern Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg sollen die Regeln wegen hoher Infektionszahlen auch im April weiter gelten.
Die grün-schwarze Koalition im Südwesten hält das Ende der Schutzmaßnahmen nach einer Übergangszeit bis zum 2. April zwar auch für einen Fehler. Jedoch sehen Grüne und CDU durch das neue Infektionsschutzgesetz der Ampel-Bundesregierung keine rechtliche Grundlage mehr für eine landesweite Verlängerung der Maskenpflicht und Zugangsbeschränkungen. Es sei rechtlich unklar, ob man ein ganzes Land zum Hotspot erklären könne, kritisierten Grüne und CDU.
SPD hält landesweiten Hotspot für möglich
SPD-Fraktionschef Andreas Stoch sieht das anders und hielt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) vor, die gesetzlichen Möglichkeiten nicht auszuschöpfen. »Wenn wir wollen, können wir handeln«, rief der Oppositionsführer. Die Kliniken seien am Anschlag, es sei auch wegen vieler Ansteckungen beim Personal kein Normalbetrieb möglich. »Unserem Gesundheitssystem droht also die Überlastung.« Das sei die Voraussetzung im Bundesgesetz, um zu handeln. »Wir können das Land zum Hotspot erklären, um nicht alle Maßnahmen fallen lassen zu müssen.« Stoch verwies auf schlechte Erfahrungen im Nachbarland: »In Österreich hat man den Freedom Day zu früh gefeiert. Nun kommt die Maskenpflicht wieder, weil die Infektionszahlen explodieren.«
Grüne wollen in Berlin nochmal vorstellig werden
Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz warf der SPD Populismus vor: Wenn es den Sozialdemokraten, die in Berlin den Kanzler stellen, um die Sache gehen würde, hätten sie auf Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eingewirkt, sagte er. Das Bundesgesetz sei für die Länder fast nicht umsetzbar. »Die Hotspot-Regelung ist nicht mal das Papier wert, auf dem sie steht.« Die Grünen würden das Pandemiegeschehen »engmaschig beobachten«, zudem behalte man sich vor, mit der grünen Bundestagsfraktion in der Sache nochmal aktiv zu werden.
FDP: Land darf nicht letztes »gallisches Dorf« sein
Die FDP, die in der Ampel im Bund auf eine Rückkehr zu mehr Normalität gedrungen hatte, hält Schutzmaßnahmen nicht mehr für nötig. »Die Grundlagen für Freiheitseinschränkungen sind nicht mehr gegeben«, sagte ihr Fraktionsvize Jochen Haußmann. Die Kliniken und Intensivstationen seien längst nicht mehr so stark belastet wie noch Ende vergangenen Jahres. Er begrüßte, dass die Ampel Kretschmann Einhalt gebiete. Unter dem Ministerpräsidenten sei Baden-Württemberg das »letzte gallische Dorf« geworden, das immer weiter an Einschränkungen festhalten wolle. Die Lockerung der Maßnahmen sei aber richtig: »Machen wir mehr German Mut als German Angst.« Auch die AfD sprach sich dafür aus, die Schutzmaßnahmen auslaufen zu lassen.
Auch regionale Hotspots nicht in Sicht
Nach jetzigem Stand könnte es bei einer Zuspitzung der Pandemie höchstens regional schärfere Auflagen für bestimmte Hotspots geben. Kretschmann hatte am Dienstag gesagt, diese stünden aber zunächst nicht an. »Im Moment sind wir von einer Überlastung der Krankenhäuser und Intensivstationen noch weit entfernt. Insofern müssen die Leute nicht damit rechnen, dass wir im Moment zu Hotspot-Regelungen kommen.« Der Koalitionspartner CDU ist wegen der rechtlichen Unsicherheiten sogar ganz dagegen, auf die Hotspot-Regelung zurückzugreifen.
Am Samstag waren im Südwesten Kontaktbeschränkungen und auch Kapazitätsgrenzen für Veranstaltungen komplett weggefallen. Zuvor hatten Bundestag und Bundesrat das neue Infektionsschutzgesetz auf Vorschlag der Ampel-Regierung beschlossen. Wie alle anderen Bundesländer nutzt Baden-Württemberg seitdem die Übergangsregel im neuen Gesetz, um die Maskenpflicht und Zugangsbeschränkungen bis zum 2. April aufrechterhalten zu können. Als Basis-Schutzmaßnahmen soll danach noch eine Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr oder in Krankenhäusern möglich sein.
© dpa-infocom, dpa:220323-99-638319/5