Man stehe klar dazu, Menschen aufzunehmen, die aus dem Kriegsgebiet nach Deutschland fliehen, sagte Walter. Zunehmend kämen aber Ukrainerinnen und Ukrainer nach Deutschland, die bereits sichere Unterkünfte in anderen EU-Staaten wie Polen, Spanien oder Italien hätten. »Mir haben zum Beispiel ukrainische Männer gesagt: Wir arbeiten schon seit Jahren in Polen, mit Kriegsbeginn haben wir unsere Familien nachgeholt«, sagte Walter. »Jetzt haben wir von Verwandten erfahren, dass wir mitsamt Familie in Deutschland ohne Gegenleistung mehr Geld in die Hand bekommen als in Polen mit Arbeit.« Dass solche Rechnungen angestellt würden, könne man den Menschen nicht verübeln. »Aber das Signal, das Deutschland hier aussendet, ist völlig falsch.«
Ukrainische Geflüchtete erhalten seit dem 1. Juni Hartz IV und können dank des sogenannten Rechtskreiswechsels auch eine eigene Wohnung anmieten und eine Arbeit aufnehmen. »Das hat eine starke Anziehungskraft«, ist Walter überzeugt. »Wenn Deutschland solche Pull-Effekte setzt, werden wir eine gerechte europäische Verteilung der Flüchtlinge nicht hinbekommen.« Die Kapazitäten vor Ort seien nahezu erschöpft, zunehmend müsse man Sporthallen belegen. Vielfach handle es sich um gut ausgebildete Menschen, die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt wäre da. »Das derzeitige deutsche System mit europaweit beispiellos hohen Leistungen lockt die Menschen dagegen eher in die soziale Hängematte als sie zur Arbeit zu motivieren.«
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