Trotz heftiger Kritik im Vorfeld wollen die Veranstalter eine Tagung zum baden-württembergischen Landesjubiläum wie geplant durchziehen - ohne Beteiligung badischer Organisationen. Man habe die Bühnenbesetzung für die Podiumsdiskussion »natürlich so belassen, wie sie ist«, sagte der stellvertretende Direktor der Landeszentrale für politische Bildung, Reinhold Weber, der Deutschen Presse-Agentur auf Nachfrage. »Die Sache ist künstlich hochgezogen und nahm dann mit der Resolution der Landesvereinigung Baden in Europa einen sehr schlechten Geschmack an.«
Was ist passiert? Ausgerechnet zum 70. Landesjubiläum gab es wegen der Tagung gehörig Zoff zwischen Badenern und Württembergern. Mehrere Partner, darunter der Landtag, die Landeszentrale für politische Bildung und der Schwäbische Heimatbund laden am heutigen Mittwoch (18.00 Uhr) zu einer Veranstaltung mit dem Titel »Wer wir sind! Wer sind wir? 70 Jahre Baden-Württemberg« ein. Zunächst steht eine Lesung mit der aus Russland stammenden Schriftstellerin Lena Gorelik auf dem Programm, dann ein Podiumsgespräch unter anderem mit Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne).
In der Beschreibung der Veranstaltung heißt es, es gehe unter anderem um Identität, Diversität und Pluralismus - und um die Frage, wie wir eine »polarisierte Gesellschaft auf der Basis gemeinsamer Werte und mit einem friedvollen Miteinander gestalten wollen - als Bausteine einer gemeinsamen Heimat in Baden-Württemberg«.
Das Miteinander könnte indes friedvoller sein: Die Landesvereinigung Baden in Europa hatte sich erzürnt gezeigt, nicht beteiligt worden zu sein bei einem solchen Podiumsgespräch. Im Fokus der Kritik: Landtagspräsidentin Aras. Die hatte jedoch wiederholt auf den offiziellen Festakt zum Landesjubiläum im Landtag am 4. Mai verwiesen, bei dem auch Badener auf der Bühne erwartet werden.
Der Streit schlug hohe Wellen, auch wenn zuletzt mildere Töne angeschlagen wurden. Auch badische Grünen-Landtagsabgeordnete protestierten gegen die Einladepolitik ihrer Parteikollegin Aras. Die AfD will die »Baden-Frage« nun sogar in der nächsten Plenarsitzung debattieren. Und Aras selbst? Möchte sich angesichts des Zoffs mit der Landesvereinigung Baden zu einem Versöhnungsgespräch treffen - und zwar am 5. Mai, einen Tag nach dem Festakt. Die Podiumsdiskussion im Stuttgarter Hospitalhof soll aber nun trotzdem am Mittwoch wie ursprünglich geplant stattfinden.
Es handle sich um die Fortsetzung einer Tagung aus dem Herbst 2020 mit dem Thema »Heimat«, die Veranstaltung sei vor mehr als einem Jahr geplant worden, erklärte Weber von der Landeszentrale. Er kann die Aufregung nicht verstehen. Der Schwäbische Heimatbund sei dabei, weil es eben eine lokale Tagung in Stuttgart sei. »Selbst von sonst kritischen Stimmen aus Baden höre ich, dass sie, wenn etwa der Landesverein Badische Heimat in Freiburg eine Veranstaltung macht, auch nicht das schwäbische, hohenzollerische oder kurpfälzische Pendant einlädt.« Die ganze Sache sei künstlich hochgezogen. Die Frage, ob badische Vertreter auf der Bühne seien oder nicht, sei zudem »viel zu kurz gegriffen und polemisch zugespitzt«.
Hintergrund des Disputs ist die Gründung Baden-Württembergs vor 70 Jahren. Vor dem Zweiten Weltkrieg bestand der Südwesten aus Baden, Württemberg und Hohenzollern. Nach Kriegsende formten die Alliierten Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und Baden. Die damaligen Ministerpräsidenten von Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern wollten einen großen Südweststaat, um vor allem im wirtschaftlichen Wettbewerb der Bundesländer mithalten zu können. Der badische Staatspräsident hingegen wollte seine Heimat vor zu viel schwäbischem Einfluss beschützen.
Vor einer Volksabstimmung stimmte der Bundestag allerdings einem Gesetz von 13 CDU-Abgeordneten aus Württemberg unter der Führung des späteren Bundeskanzlers Kurt Georg Kiesinger zu, wonach der Südwesten in vier Abstimmungsbezirke unterteilt wurde und zur Gründung eines Südweststaats die mehrheitliche Zustimmung in drei dieser Bezirke reichte. Das gelang - und die Badener fühlten sich ausgetrickst.
Nach einer Volksabstimmung im Dezember 1951 erklärte der gerade gewählte Ministerpräsident Reinhold Maier am 25. April 1952 die Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern für vereinigt. Am 19. November 1953 trat die Verfassung in Kraft.
Auch 70 Jahre nach Landesgründung ist in vielen Köpfen der Bindestrich in Baden-Württemberg noch sehr präsent. Wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap im Auftrag des Südwestrundfunks (SWR) vor kurzem ergab, fühlt sich immer noch nur jeder zweite Mensch in Baden-Württemberg dem Bundesland als Ganzes verbunden. Sieht sich die Hälfte der Bevölkerung (51 Prozent) am ehesten als Baden-Württemberger, so fühlt sich ein Viertel (24 Prozent) als Badener und ein knappes Fünftel (18 Prozent) als Württemberger.
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