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Landesbischof macht sich für selbstkritische Kirche stark

Es dauerte lange, bis die Synode einen Kompromisskandidaten fand. Nun bekommen die fast zwei Millionen Protestanten in Württemberg einen neuen Oberhirten. Nach der Wahl spricht er von »echten Strukturproblemen« - die will er offensiv angehen.

Neuer Landesbischof  Gohl
Gohl ist zum neuen Landesbischof der evangelischen Landeskirche in Würtemberg gewählt worden. Foto: Bernd Weißbrod
Gohl ist zum neuen Landesbischof der evangelischen Landeskirche in Würtemberg gewählt worden.
Foto: Bernd Weißbrod

Die Vertreter der württembergischen evangelischen Landeskirche haben den Ulmer Dekan Ernst-Wilhelm Gohl zum neuen Landesbischof gewählt. Der 58-Jährige erhielt am Samstag nach mehrtägigen Beratungen eine Zweidrittel-Mehrheit von 57 der 84 Stimmen. Gohl bekam Gratulationen unter anderem von der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus.

Gohl sagte nach der Wahl in Stuttgart, er wünsche sich eine vielfältige Landeskirche und strebe Veränderungen an. »Wir haben echte Strukturprobleme«, sagte der Theologe. Ein Ziel sei es, Pfarrerinnen und Pfarrer von Verwaltungsaufgaben zu entlasten. Es gebe zudem Veränderungsdruck, da das Geld knapper werde.

Die Wahl hatte sich länger hingezogen, entscheidend war nun der fünfte Wahlgang. Gohl war am Freitagabend vom Nominierungsausschuss der Synode benannt worden. In ihm sind alle fraktionsähnlichen Gesprächskreise vertreten, die für die verschiedenen kirchlichen Interessengruppen stehen. Gohl war bereits am Donnerstag gemeinsam mit zwei weiteren Kandidierenden zur Wahl angetreten, war aber ebenso wie die anderen beiden wiederholt an der geforderten Mehrheit gescheitert. Nach langen Beratungen hatten sich die Kirchenvertreter zu Gohl als Kompromisskandidaten durchgerungen. Die Synode ist die gesetzgebende Versammlung der Landeskirche.

Gohl soll offiziell am 24. Juli bei einem Gottesdienst in der Stuttgarter Stiftskirche eingesetzt werden. Die Amtszeit beträgt zehn Jahre. Gohl folgt auf Landesbischof Frank Otfried July, der in den Ruhestand wechselt. »Ich finde, es ist ein starkes Zeichen, dass wir über alle Unterschiede hinweg uns einigen konnten«, erklärte Gohl. »Die Zwei-Drittel-Mehrheit war knapp«, räumte er vor Medienvertretern ein. Die Synodalen vertreten die Interessen von rund 1,9 Millionen Kirchenmitgliedern.

Der gebürtige Stuttgarter Gohl gehörte als Kandidat dem Gesprächskreis »Evangelium und Kirche« an. Er ist seit 2006 Dekan des Kirchenbezirks Ulm und gleichzeitig Seelsorger am Ulmer Münster. Als Dekan führte er bisher rund 45 Pfarrer im Kirchenbezirk. Der Vater von zwei erwachsenen Kindern ist seit 15 Jahren Mitglied der württembergischen Landessynode als direkt gewählter Theologe des Wahlkreises Blaubeuren-Ulm.

Der ausgebildete Rettungssanitäter studierte Theologie in Tübingen, Bern und Rom. Nach dem Vikariat blieb Gohl im Pfarramt in Böblingen, es folgte bis 2006 eine Pfarrstelle an der Stadtkirche Plochingen.

In seiner Bewerbungsrede vor der Synode hatte sich Gohl vor allem für eine selbstkritische und mutigere Kirche stark gemacht, die auch bereit sein müsse, Fehler zu machen. »Der Kirche bläst grad gewaltig der Wind ins Gesicht«, hatte er gesagt. Die Zeit, in der es zum guten Ton gehört habe, Mitglied der Kirche zu sein, sei vorbei. Es gehe vor allem darum Vertrauen zurückzugewinnen. Ein Gradmesser sei unter anderem, wie die Kirche mit dem Thema Missbrauch umgehe. »Die Aufarbeitung und die Prävention haben für mich oberste Priorität«, versprach Gohl. Sein Gesprächskreis setzt sich unter anderem zudem für Offenheit in der Kirche und die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ein.

Vorgänger July erreicht im Juli die Altersgrenze von 68 Jahren. Er war 2005 gewählt worden. Bei seinem Amtsantritt zählte die Landeskirche in Württemberg als eine der größten protestantischen Kirchen in Deutschland noch 2,4 Millionen Mitglieder. Weniger Mitglieder bedeuten weniger Einnahmen aus der Kirchensteuer.

Evangelische Landeskirche

Lebenslauf Ernst-Wilhelm Gohl

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