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Landesbischöfin wirbt für Sachlichkeit in Flüchtlingsdebatte

Die EU-Innenminister wollen Asylverfahren verschärfen. Städte und Gemeinden versuchen, die nach Deutschland kommenden Flüchtlinge unterzubringen - und klagen über zu wenig Hilfe vom Bund. In einer schwierigen Gemengelage versucht auch die Kirche sich zu positionieren.

Um Populismus in der Debatte um Flüchtlinge zu vermeiden, hat die Landesbischöfin der evangelischen Landeskirche in Baden für einen sachlicheren Ton geworben. Weder sollte man Scheinlösungen propagieren, noch Probleme leugnen, sagte Heike Springhart in Karlsruhe etwa mit Blick auf den angestrebten Asylkompromiss auf EU-Ebene. Schwierigkeiten müssten angesprochen werden, Migration dürfe aber nicht nur als Problem betrachtet werden. Und ein faires staatliches Asylverfahren heiße auch, dass nicht jeder kommen darf, der kommen möchte, betonte die Landesbischöfin.

Die Ankunft zahlreicher Menschen aus der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskriegs habe die Bereitschaft zu Hilfe vieler Menschen in Deutschland gezeigt, sagten Springhart und der Vorsitzende der Diakonie Baden, Urs Keller. Das gelte nicht zuletzt für die Suche nach Wohnmöglichkeiten. »Da kann man sehen, wie man mit einer Gruppe Menschen umgehen kann, die plötzlich zu uns kommen«, sagte Keller. »Wenn die Haltung stimmt, dann gibt es da auch Potenzial.« Wichtig sei, dass sich keine unterschiedlichen Klassen an Flüchtlingen bildeten, mahnte die Landesbischöfin.

Beide warben zudem für mehr Integrations- und Sprachkurse. Der Bund habe versäumt, die Mittel anzupassen, sagte Keller. Berechtigte müssten teils ein Jahr auf einen Kurs warten. Und wenn Menschen sich nicht integrieren könnten, nicht arbeiten dürften, dann bestätige das mitunter Vorurteile. Hier müsse die Politik Abhilfe schaffen und beispielsweise ermöglichen, dass die Menschen schneller auf dem Arbeitsmarkt integriert und Abschlüsse rascher anerkannt werden. Das würde auch die Kommunen sicherlich entlasten, sagte der Oberkirchenrat. »Weil die brauchen die Leute vor Ort.«

Ganz wichtig sind aus Sicht der Kirchenvertreter Möglichkeiten der Begegnung und persönlicher Kontakt, um Sorgen zu adressieren und Ängste abzubauen. Jürgen Blechinger, der bei der Landeskirche die Abteilung Flucht und Migration leitet, sagte: »Flüchtlingsarbeit ist immer auch zur Hälfte Arbeit mit Einheimischen.«

Landesbischöfin Springhart warb für eine andere Perspektive auf das Thema und bemühte einen Blick zurück: Vielerorts leisteten die schon nach Deutschland gekommenen Menschen gute Arbeit - bei Paketdienstleistern, in der Pflege, in Krankenhäusern und Arztpraxen, in der Autowerkstatt und anderen Handwerksbetrieben, listete sie auf. Ohne diese Menschen würde der Gesellschaft heute etwas fehlen.

Sie sieht viel Potenzial auch innerhalb der Kirche selbst - zum einen mit Blick auf die Unterbringung etwa in Kirchengebäuden oder über Gemeindemitglieder. Zum anderen auch, um die Botschaft an sich zu vermitteln: »Stammtischgespräche kann man nur am Stammtisch führen«, sagte Springhart. »Aber da sitzen Leute aus unseren Gemeinden auch.«

Diakonie Baden über Flucht und Migration

© dpa-infocom, dpa:230616-99-74031/2