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Aktuell Luftschadstoffe

Kritik an Grenzwerten sorgt für Streit in Stuttgart

Die Kritik von Ärzten an den Grenzwerten für Luftschadstoffe ist Wasser auf die Mühlen der Fahrverbots-Kritiker. Die CDU will davon abkommen. Die Grünen halten dagegen.

Verkehr beim Neckartor in Stuttgart
Verkehr beim Neckartor in Stuttgart Foto: dpa
Verkehr beim Neckartor in Stuttgart
Foto: dpa

STUTTGART. Nach den Zweifeln von Lungenfachärzten hat CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart eine Aussetzung der an den Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide gefordert. »Die Bundesregierung muss auf Bundesebene aktiv werden«, sagte Reinhart in einem Statement. Zunächst hatten »Stuttgarter Nachrichten und Stuttgarter Zeitung« berichtet.

Reinhart kann sich demzufolge ein Moratorium vorstellen, bis eindeutige wissenschaftliche Fakten vorliegen. Der Koalitionspartner sieht dafür keinen Grund: »Die EU-Grenzwerte für saubere Luft wurden nicht im Hinterzimmer ausgemauschelt«, entgegnete Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz.

Am Mittwoch hatten mehr als hundert Lungenspezialisten eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie Zweifel am gesundheitlichen Nutzen der aktuellen Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide (NOx) äußerten. Sie sähen keine wissenschaftliche Begründung, die die geltenden Obergrenzen rechtfertigen würde, heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme.

EU-Kommission und Bundesumweltministerium wiesen die Kritik zurück. Das Umweltbundesamt sieht ebenfalls »keinen Grund, die auf europäischer Ebene festgelegten Stickstoffdioxid-Grenzwerte infrage zu stellen«. Dagegen nannte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) den Vorstoß der Mediziner eine wichtige Initiative, um »Sachlichkeit und Fakten« in die Diesel-Debatte zu bringen.

Reinhart betonte: »Die Grenzwerte müssen wissenschaftlich zweifelsfrei begründbar sein. Ansonsten sind einschneidende Eingriffe wie Fahrverbote nicht zu rechtfertigen.« Für den Grünen-Fraktionschef steht die wissenschaftliche Basis hingegen nicht infrage: Die Werte basierten auf zahlreichen streng wissenschaftlichen Studien und Empfehlungen, die in Brüssel ausgewertet, ausgiebig diskutiert und dann festgelegt wurden. »Dies übrigens unter Beteiligung der CDU-geführten Bundesregierung«, so Schwarz.

In Stuttgart gelten seit Anfang des Jahres Fahrverbote für Diesel der Abgasnorm Euro 4 und schlechter. Mitte des Jahres prüft die Landesregierung nach einer gemeinsamen Verabredung Koalition, ob die Grenzwerte soweit eingehalten werden, damit auf Fahrverbote für Euro-5-Diesel verzichtet werden kann. Reinhart sieht darin einen klaren Auftrag an den Verkehrsminister, die Ausweitung der Fahrverbote abzuwenden. »Wir erwarten jetzt umso mehr, dass dieser Auftrag erfüllt wird.«

In der Fachwelt hat die Kritik an den Grenzwerten jedenfalls schon eine Diskussion angestoßen. Von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), dem Deutschen Lungenstiftung und dem Verband Pneumologischer Kliniken (VPK), hieß es nun, sie werde als Anstoß für notwendige Forschungsaktivitäten und eine kritische Überprüfung betrachtet. Das jetzt veröffentlichte Papier wurde an 3800 DGP-Mitglieder verschickt, 113 Fachleute haben die Stellungnahme unterschrieben. (dpa)