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Kritik an Etatplanung: Wegen Lehrermangel nicht ausreichend

Nach sieben Stunden machen die Koalitionsspitzen einen Haken unter die Zahlen, ihre Planung für den Doppelhaushalt 2023/2024 steht. Es ist angesichts der Krisen eine Planung voller Unwägbarkeiten. Die Kritik lässt nicht lange auf sich warten.

Schule
Ein Lehrer steht im Unterricht an der Tafel. Foto: Marijan Murat
Ein Lehrer steht im Unterricht an der Tafel.
Foto: Marijan Murat

Um Lehrermangel und Unterrichtsausfall an den Schulen zu bekämpfen, reicht die Planung der grün-schwarzen Koalition für den Doppelhaushalt 2023/2024 nach Ansicht von Opposition und Gewerkschaft bei weitem nicht aus. Im Bereich der Bildung springe die Landesregierung zu kurz, warf ihr der SPD-Landes- und Fraktionschef Andreas Stoch am Dienstagmorgen vor. »500 zusätzliche Stellen für Lehrerinnen und Lehrer bedeutet, dass gerade einmal eine von zehn Lücken geschlossen wird«, sagte er. »Im Land fehlen mindestens 5000 Lehrkräfte.«

Die Spitzen der Koalition hatten sich am späten Montagabend auf die Schaffung von insgesamt knapp 1700 neuen Stellen im Haushalt verständigt. Für den Bereich Bildung soll es 700 neue Stellen geben, darunter 500 für neue Lehrkräfte.

Die Bildungsgewerkschaft GEW warf dem Finanzminister vor, zu sehr an der Vermeidung von Schulden interessiert zu sein. »Wenn Danyal Bayaz meint, mit 700 Stellen, davon 500 für Lehrkräfte, seien die Schulen auf Mega-Projekte wie den Ganztagsausbau, Sprachförderung, die Integration Geflüchteter und die steigenden Schülerzahlen vorbereitet, dann ist er kein seriöser Finanzminister, sondern macht unser Land durch das Starren auf die Schuldenbremse nicht fit für die Zukunft«, kritisierte Monika Stein, die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), in Stuttgart.

Sie forderte zusätzlich zu 500 Stellen kurz- und mittelfristige Maßnahmen. So solle der Stufenplan zum Ausbau der ständigen Vertretungsreserve mit 200 neuen Stellen pro Jahr bereits im nächsten Landeshaushalt wieder aufgenommen werden, sagte Stein. Die Reserve sei mit 1945 Stellen bei geschätzten gut 5000 bis 7000 dauerhaften Ausfällen schon vor der Pandemie viel zu gering gewesen. »Die Reserve ist meist bereits am ersten Schultag verplant«, sagte sie. Der Arbeitsmarkt gebe kaum Personal her, das kurzfristig für Vertretungen gewonnen werden könne. Deshalb bedeute jeder weitere Ausfall, dass Klassen zusammengelegt werden müssten oder Unterricht ausfalle.

Auch der Philologenverband sieht weiteren Bedarf. »Die 500 zusätzlichen Stellen sind bei weitem nicht genug«, sagte der Landesvorsitzende Ralf Scholl. Er zeigte sich überzeugt, dass die Personaldecke im anstehenden Schuljahr noch einmal stärker angespannt sein wird als im vergangenen Frühjahr. »Außerdem ist absehbar, dass beim Auftreten einer Corona-Welle natürlich auch viele Lehrer erkranken werden«, sagte er. Die Lehrerversorgung sei aber bereits jetzt schlechter als zu Anfang des abgelaufenen Schuljahres.

Die Sitzung der Haushaltskommission hatte sich am Vortag etwa sieben Stunden hingezogen. Alle Ministerinnen und Minister sollten erläutern, wofür sie zusätzliches Geld und neue Stellen brauchen. Anschließend wurden noch 340 Millionen Euro auf die Ressorts verteilt.

Nach den Planungen soll unter anderem der Justizvollzug deutlich gestärkt werden. Die meisten neuen 442 Posten im Bereich Justiz gehen dorthin. Für Innere Sicherheit sind 412 neue Stellen vorgesehen, darunter 300 für die Polizei. Weitere Posten soll es an den Hochschulen und in der Bauverwaltung geben. In den Ministerien sollen 20 neue Stellen geschaffen werden.

Zudem entschieden Grüne und CDU, angesichts der Energiekrise an dem schon geplanten Risikopuffer von 1,46 Milliarden Euro festzuhalten. Wegen der hohen Inflation will das Land eine Milliarde Euro zurücklegen - hiermit sollen unter anderem steigende Baukosten beglichen werden. Der Puffer für mögliche Mindereinnahmen durch Entscheidungen des Bundes umfasst 460 Millionen Euro. Finanzminister Bayaz (Grüne) erklärte am Abend, dies sei auch dringend nötig. Denn durch das jüngst beschlossene Entlastungspaket des Bundes kämen noch weitere Belastungen auf das Land zu.

Die Spitzen der Koalition hatten schon vorher vereinbart, dass die Schuldenbremse wieder eingehalten werden soll. Allerdings könnte die Energiekrise die Pläne der Koalition im Herbst und Winter noch durchkreuzen. Bayaz rechnet schon jetzt damit, dass es im Winter kein Wachstum mehr geben wird. Komme eine schwerere Rezession durch eine Gasmangellage, dann gebe es einen erheblichen Einbruch der Steuereinnahmen. Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz sagte: »Die Haushaltsverhandlungen gestalten sich aktuell so schwierig wie eine Fahrt durch eine Nebelwand: Niemand kann prognostizieren, wie die Steuereinnahmen in den nächsten Jahren ausfallen werden.«

Bayaz hält es aber auch für richtig, dass das Land trotz Krise 570 Millionen Euro für politische Schwerpunkte in die Hand nimmt. »Es kommt allerdings darauf an, dass der Staat gerade auch in der Krise funktioniert.« Die Koalition will trotz Inflation, Gaskrise und Pandemie fast 1,4 Milliarden Euro mehr ausgeben. Grüne und CDU wollen für sogenannte zwangsläufige Mehrbedarfe gut 800 Millionen Euro investieren. Dazu gehören Ausgaben für Geflüchtete, Vorsorge für die Corona-Pandemie, der Strafvollzug oder der Breitbandausbau, bei dem das Land die Förderung des Bundes kofinanzieren muss.

Die FDP war der Koalition vor, »das Geld mit vollen Händen« rauszuwerfen. »Mehr Stellen, mehr Ausgaben. Sparen kommt wie immer nicht vor«, sagte der FDP-Finanzexperte Stephen Brauer.

© dpa-infocom, dpa:220906-99-646391/6