Die Energie-Krise, die teils explodierenden Preise und die steigenden Belastungen für Bund und Länder bringen die aktuelle Planung des Landeshaushalts nach Ansicht der grün-schwarzen Koalition ordentlich ins Wanken. »Noch nie haben wir einen Haushalt beraten, der in einem solchen Maße davon gekennzeichnet ist, dass wir nicht wissen, was noch auf uns zukommt«, verteidigte der Fraktionschef der Grünen, Andreas Schwarz, am Mittwoch im Landtag die jüngsten Änderungen. Nach der Einbringung des Doppelhaushalts für die Jahre 2023/2024 sei die Herbst-Steuerschätzung vorgelegt worden, zudem herrsche eine »Epoche der Unsicherheit«. Diese habe »einige Grundparameter für den Haushalt noch einmal deutlich verändert«, sagte Schwarz. Der Haushalt sei ein »work in progress« (eine fortlaufende Arbeit).
Auch CDU-Fraktionschef Manuel Hagel verteidigte die Planungen von Landesfinanzminister Danyal Bayaz (Grüne). »Nichts ist unberechenbarer als die Dynamik einer Krise«, sagte er. »Das heißt für uns: Wir müssen uns in die Lage versetzen, reagieren zu können.« Haushaltspolitik in Krisenzeiten sei immer eine »Rechnung mit mindestens einer Unbekannten«.
Die Koalition hatte zuletzt angekündigt, zur Bewältigung der Krise im kommenden Jahr nun doch neue Schulden zu machen. Wegen der absehbar schlechteren Konjunktur will die Regierung im Rahmen der Schuldenbremse neue Kredite in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro aufnehmen. Damit soll nach Angaben des Finanzministeriums die Rücklage gestärkt werden, um weitere Steuerausfälle ausgleichen zu können. Zudem erhalte die Regierung dadurch Spielraum, selbst ein Hilfspaket zu schnüren.
Dagegen ließen die Oppositionsfraktionen wie erwartet kein gutes Haar an den vorgelegten Zahlen der Koalition. Die SPD warf der Regierung vor, zu wenig und an falschen Stellen zu investieren. »Die Zeiten sind schwierig, aber die Kassenlage ist nicht schlecht«, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch. »Es ist also schlicht falsch, beim Blick auf den Haushalt immer nur von den schlechten Zeiten zu reden.«
Allein nach der jüngsten Steuerschätzung ständen geschätzte 2,5 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen ins Haus. Das Land habe ausreichende Mittel und müsse sie in Entlastungen, eine Förderung für Kinder und Jugendliche und ein Investitionsprogramm unter anderem für die Unternehmen investieren. Die aktuelle Krise sei für die Wirtschaft weit bedrohlicher, als es die Pandemie gewesen sei, sagte Stoch und forderte einen »seriösen Kassensturz, bei dem niemand versucht, dieses Land ärmer zu rechnen, als es ist«.
Für die FDP stellte deren Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke unter anderem die zusätzlichen Stellen in den Landesbetrieben in den Mittelpunkt seiner Kritik. Das Personal habe 2011 noch einen Umfang von 37.089 Stellen gehabt, im kommenden Jahr seien es mit 47.865 rund ein Drittel mehr. Besonders heftig sei die Entwicklung in den Ministerien selbst. In den vergangenen rund zehn Jahren sei die Zahl von 2980 auf 4253 gestiegen. »Leuchtendes Negativbeispiel« sei die Regierungszentrale, das Staatsministerium.
Nach Ansicht des Steuerzahlerbunds muss die Regierung ihren Haushalt sogar in den Grundfesten überdenken. »Die Haushaltsplanungen insgesamt laufen eigentlich seit einiger Zeit in die falsche Richtung. Wir haben ein strukturelles Problem im Haushalt«, sagte Landeschef Eike Möller der Deutschen Presse-Agentur. Das Land habe in den vergangenen Jahren immer mehr Personal aufgebaut und werde das im neuen Etat erneut tun, monierte auch er. Zwar seien einzelne Stellen gut begründet. »Aber das führt in der Summe dazu, dass der Haushalt an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gerät«, warnte Möller.
Das Land habe die Menschen auf eine Zeitenwende vorbereitet und Zumutungen angekündigt, kritisierte er. »Das hätte man dann gerne auch beim Land gesehen«, sagte er. »Eine strukturelle Neuaufstellung des Haushalts können wir aber nicht erkennen und das überrascht mich.« Aus Sicht des Bundes der Steuerzahler müsste eine Fachkommission den Haushalt durchforsten und prüfen, welche Ausgaben zwingend notwendig sind und auf was in diesen strengeren Zeiten verzichtet werden kann.
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