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Knappe Flüchtlingsunterkünfte: Ausweichen auf Turnhallen

Weil es an Flüchtlingsunterkünften mangelt, werden wieder vermehrt Turnhallen umfunktioniert. Behörden begründen das mit der Ausnahmesituation. Eltern und Sportvereinen fehlt die Transparenz.

Notunterkunft in Radolfzell am Bodensee
Flüchtlinge aus der Ukraine sind in einer Notunterkunft untergebracht. Foto: Felix Kästle
Flüchtlinge aus der Ukraine sind in einer Notunterkunft untergebracht.
Foto: Felix Kästle

Für niemanden ist es eine schöne Option: Immer häufiger müssen Flüchtlinge im Südwesten in Turnhallen untergebracht werden. Etliche Landkreise seien bereits dazu übergegangen, sagte der Hauptgeschäftsführer des Landkreistages, Alexis von Komorowski. Er wisse, dass das für Schulen und Vereine nicht ohne Folgen bleibe, doch die Lage sei äußerst ernst. »Die Akquise und Aktivierung geeigneter Unterkünfte wird stetig schwieriger.«

Bislang haben laut Landkreistag rund 132.000 Geflüchtete aus der Ukraine in Baden-Württemberg Zuflucht gefunden. Das aktuelle Geschehen übersteige inzwischen nach Umfang und Dynamik die Dimensionen der Jahre 2015 und 2016. Man befinde sich in einer absoluten Ausnahmesituation. »Die Kommunen drohen bei der Flüchtlingsaufnahme in eine Überforderungssituation abzugleiten, wenn nicht konsequent gegengesteuert wird«, sagte von Komorowski.

Im Landkreis Konstanz etwa sind nach Angaben der zuständigen Stelle aktuell fünf Kreissporthallen belegt. Eine sechste sei vorbereitet, sagte der Stellvertreter des Landrates, Philipp Gärtner, am Donnerstag. 720 Menschen seien in den Sporthallen untergebracht. Weitere 192 Plätze stünden zur Verfügung. Fünf Wochen brauche man etwa, um eine Halle umzufunktionieren.

In Friedrichshafen im Bodenseekreis gibt es Unmut darüber, dass dort in den nächsten Wochen die Sporthalle einer Berufsschule zur Notunterkunft werden soll. Hiesige Sportler bangen um den Vereinssport. Ein Sprecher des Bodenseekreises erklärte dazu, dass die Entscheidung nicht leichtgefallen sei. »Aber wir haben eine enorme humanitäre Herausforderung zu meistern und müssen diese Prioritäten setzen.«

Der Württembergische Landessportbund beobachtet die Lage, auch aktuell die am Bodensee. Der Sportbund forderte von Kommunen und Landkreisen, Sporthallen wirklich nur als absolut letztes Mittel einzusetzen. Zuvor müssten alle anderen Möglichkeiten wie leerstehende Hotels oder Messehallen ausgereizt sein. »Wenn eine Hallenbelegung unvermeidbar ist, dürfen Sportvereine nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden«, erklärte ein Sprecher. So könnte man vielleicht noch Wege finden, um den Sportbetrieb dennoch am Laufen zu halten.

Auch der Landeselternbeirat ist nicht begeistert vom Vorgehen der Kommunen und des Landes. Es fehle Transparenz, kritisierte Vorsitzender Michael Mittelstaedt. »Momentan sieht man eben nicht, dass die Stadthallen oder der Gemeindesaal genutzt werden.« Immer alles auf die Schulen und Kinder abzuwälzen, sei nicht der richtige Weg. »Es muss schon nachvollziehbar sein.«

Informationen zum Thema Flüchtlingsunterbringung

© dpa-infocom, dpa:221013-99-113781/3