STUTTGART. Personalnot herrscht nicht nur an Schulen, in Pflegeheimen und Krankenhäusern im Land. Auch beim Personal für die kommunale Parkraumüberwachung gibt es hier und da Engpässe. Die vorhandenen kommunalen Mitarbeiter vor Ort halten zwar die Augen nach Falsch- oder Schwarzparkern offen, können aber meist nur einen Teil der Parksünder aufspüren. Wäre es da nicht eine schlaue Lösung, die Männer und Frauen mit den Knöllchen durch Künstliche Intelligenz (KI) in Form von digitaler Parkraumüberwachung zu ersetzen? Während die Technik auf Supermarktparkplätzen hier und da schon genutzt wird, denkt auch das Land Baden-Württemberg seit einiger Zeit über deren Einsatz nach. Doch es gibt Kritik.
- Was versteht man unter digitaler Parkraumüberwachung?
Bei der digitalen Parkraumüberwachung kommen oft sogenannte Scan-Cars zur Erfassung von Kennzeichen zum Einsatz. Die Überwachung durch diese Fahrzeuge funktioniert relativ simpel: Autofahrer, die ihr Fahrzeug abstellen wollen, kaufen entweder am Automaten oder per App auf dem Handy ein Parkticket. Dazu muss das Kennzeichen eingegeben werden, das somit in eine Datenbank gelangt, auf die die Scan-Cars Zugriff haben. Mit einer Kamera-Sensorik erfasst das Scan-Fahrzeug im Vorbeifahren die Kennzeichen der parkenden Autos. Wird ein Kennzeichen gescannt, das nicht in der Datenbank hinterlegt ist, wird vom System automatisch eine Nachricht an die Bußgeldstelle verschickt. Eine Rechnung zeigt auf: Zu Fuß schafft eine Kontrollperson rund 300 parkende Autos am Tag, mit dem Scan-Car sind bis zu 2 000 kontrollierte Autos pro Stunde möglich.
- Wird die Technik bereits eingesetzt?
Noch ist die digitale Parkraumüberwachung in Deutschland wenig verbreitet. Im Netz findet man private Anbieter, die bereits von manchen privaten Supermarkt-Parkplätzen genutzt werden. Es gibt aber auch Pilotprojekte in Städten, etwa in Berlin.
Beschwerden über digitale Parkraumüberwachung auf einem Supermarkt-Parkplatz gab es kürzlich gehäuft in der Stadt Gelsenkirchen. Offenbar wurden hier von einer privaten Firma Kameras und Software zur Gesichtserkennung genutzt, um zu ermitteln, welche Parker den Supermarkt zum Einkaufen nutzten und welche nicht. Nach etlichen Bußgeldbescheiden an Parkende beschäftigen sich dort nun Anwälte mit der Frage, ob hier öffentlicher Raum unzulässig überwacht wurde.
- Warum denkt das Land über die Nutzung der Technik nach?
Laut baden-württembergischem Verkehrsministerium soll die Einführung digitaler Parkraumüberwachung die Effizienz der Kontrollen sowie die Verkehrssicherheit steigern. Zum Hintergrund: Laut dem Berliner Thinktank Agora Verkehrswende gehören bei jedem vierten Fußverkehrsunfall geparkte Autos zu den Ursachen. Trotzdem, so Agora, »werden Parkverstöße in Deutschland selten geahndet und die Bußgelder sind, auch nach der jüngsten Anpassung, immer noch niedriger als in anderen Ländern«.
Doch dem grünen Verkehrsminister Winfried Hermann geht es nicht nur um die Beseitigung der Gefahren im Straßenverkehr. Vor dem Hintergrund der Verkehrswende geht es auch um eine Neubewertung und Neuordnung der Parkraumkonzepte. Hierzu schreibt das Verkehrsministerium: »Ziel des Ministeriums ist die Aufwertung des öffentlichen Raums, indem mehr Platz für Straßengrün sowie Rad- und Gehwege zur Verfügung steht.« Parken solle in Zukunft kostendeckend erfolgen. Das Ministerium sagt es zwar nicht direkt, doch die Aussage kann man auch dahingehend verstehen, dass der momentan bestehende Parkraum durch erhöhte Kontrolle und mehr Kostendruck zurückgedrängt werden soll.
- Ist die Nutzung digitaler Parkraumüberwachung rechtlich überhaupt möglich?
Das Verkehrsministerium gibt hier folgende Auskunft: Bei der Parkraumüberwachung in öffentlichen Bereichen handele es sich um eine hoheitliche Aufgabe, welche auf kommunaler Ebene wahrgenommen werde. Damit Kommunen von der Technik Gebrauch machen könnten, seien rechtliche Grundlagen zu schaffen. Mit diesen beschäftige sich das Ministerium derzeit im Rahmen der Erstellung eines Landesmobilitätsgesetzes. Auch mit Hinblick auf den Datenschutz seien hohe Anforderungen zu erfüllen: »Bevor ein solches Verfahren eingeführt wird, müssen die Verfahrensdetails genau geprüft werden«, so eine Sprecherin des Ministeriums.
- Warum gibt es Kritik?
Der ADAC Württemberg hat vor allem Bedenken in Sachen Datenschutz: »Wenn spezielle Fahrzeuge die Parkzonen abfahren und Nummernschilder parkender Autos scannen, besteht auch die Möglichkeit, dass der weitere Straßenraum und die sich hier bewegenden Menschen ebenfalls erfasst werden«, gibt der Abteilungsleiter für Verkehr und Umwelt Holger Bach zu bedenken. Der Automobilclub möchte daher geklärt haben, wie lange die Daten gespeichert, wo sie gespeichert und ob sie lediglich zweckgebunden verwendet werden.
Auch der ADAC Württemberg beobachtet den Trend, »den öffentlichen Parkraum in Städten zurückzubauen und den dadurch freiwerdenden Straßenraum anderen Verkehrsteilnehmern zur Verfügung zu stellen oder anderweitig zu nutzen«. Der Automobilclub stellt sich daher die Frage, ob hohe Investitionen in die digitale Parkraumüberwachung überhaupt noch sinnvoll sind oder ob Kommunen nicht eher den Fokus auf das Parken in Parkhäusern und Tiefgaragen legen sollten. (GEA)