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Klinikvertreter stärken Lucha nach Messerangriff den Rücken

Nach dem Messerangriff in Wiesloch muss Sozialminister Manne Lucha (Grüne) dem Sozialausschuss des Landtages Rede und Antwort stehen. Vertreter der Kliniken, die den psychisch kranken Mann betreuen oder betreut haben, entkräften hier mehrere Kritikpunkte.

Trauer nach tödlichem Messerangriff in Wiesloch
Blumen und Trauerkerzen erinnern an die 30 Jahre alte Frau, die hier bei einem Messerangriff von einem psychisch kranken Mann getötet wurde. Foto: Dieter Leder/DPA
Blumen und Trauerkerzen erinnern an die 30 Jahre alte Frau, die hier bei einem Messerangriff von einem psychisch kranken Mann getötet wurde.
Foto: Dieter Leder/DPA

Nach dem tödlichen Messerangriff in Wiesloch (Rhein-Neckar-Kreis) hat sich erstmals der Landtag mit der Tat befasst. Die Opposition wollte am Freitag von Sozialminister Manne Lucha (Grüne) wissen, ob die Tat, bei der eine 30-Jährige starb, hätte verhindert werden können. Nach Einschätzung Luchas ist das nicht der Fall, es deute nichts darauf hin.

Tatverdächtig ist ein 33-Jähriger, der zuvor auf dem Weg zur Arbeitstherapie aus dem Psychiatrischen Zentrums Nordbaden (PZN) entwichen war. Nach der Flucht in die Innenstadt von Wiesloch soll er dort in einem Geschäft auf die Frau eingestochen haben. Das Messer hatte er zuvor dort entwendet.

Die SPD-Abgeordnete Dorothea Kliche-Behnke wies in der Sitzung darauf hin, dass die Patienten-Zahlen im Maßregelvollzug in den letzten Jahren um ein Drittel erhöht worden seien. Jedoch sei die Qualität der neuen Plätze nicht gut, auch bleiben ihren Worten nach viele ausgeschriebene Personalstellen unbesetzt.

Klinikvertreter nahmen den Minister in diesem Punkt in Schutz. Christian Oberbauer, Medizindirektor des Maßregelvollzugs am PZN, bestätigte zwar einen Zuwachs der Patienten seit 2018, die Zahl der Beschäftigten könne damit jedoch mithalten. Oberbauer ist eher mit Blick auf die Zukunft besorgt, da hier neue Stationen besetzt werden müssten.

Der Tatverdächtige wurde inzwischen verlegt. Er sei im Klinikum am Weissenhof im Landkreis Heilbronn eingetroffen, hatte am Mittwoch der Ärztliche Direktor der Einrichtung, Matthias Michel, gesagt. Seine Verlegung war schon zuvor von Oberbauer angekündigt worden. Die Mitarbeitenden des PZN seien zu betroffen von dem Geschehen.

Auch Michel war im Sozialausschuss geladen. Er wies darauf hin, dass die Zahl der Entweichungen insgesamt gering sei. »Es ist ein nicht vorhersehbares, extrem seltenes Geschehen«, sagte er. Auch aus Weinsberg hieß es, dass die Kliniken im Südwesten beim Personal gut aufgestellt seien.

Ein Vertreter der Polizei teilte mit, dass ein Ermittlungsverfahren wegen Mordes eingeleitet worden sei. Zuständig sei die Staatsanwaltschaft Heidelberg, die Ermittlungen führt die Polizei in Mannheim. Fehler beim Einsatz sehen die Beamten nicht, zwischen dem Notruf durch einen Pfleger und der Festnahme seien weniger als 15 Minuten vergangen.

Laut vorherigen Angaben der Staatsanwaltschaft Heidelberg lebt der Verdächtige schon seit 2014 in Deutschland und fiel bereits durch mehrere Straftaten auf. Seit 2020 war er in der Psychiatrie untergebracht, zunächst vorläufig und seit 2021 im Rahmen eines sogenannten Sicherungsverfahrens angeordnet vom Landgericht Heidelberg. Gegenstand dieses Verfahrens seien sieben seit Juli 2020 begangene Straftaten gewesen: eine sexuelle Belästigung, eine vorsätzliche Körperverletzung, zwei Fälle der Beleidigung sowie drei Fälle des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, hieß es von der Behörde.

Insgesamt gibt es in Baden-Württemberg sieben Zentren für Psychiatrie (ZfP) mit neun Standorten: Bad Schussenried, Calw, Emmendingen, Reichenau, Weinsberg, Weissenau, Wiesloch, Zwiefalten und Heidelberg. Manche der Kliniken behandeln nur psychisch kranke Täter, manche konzentrieren sich auf Suchtkranke. Ziel ist es, die Menschen so weit zu stabilisieren, dass sie nicht mehr gefährlich sind und eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft möglich ist.

Hierbei sind auch Lockerungen möglich, die Untergebrachten sind nicht zwangsläufig immer in der Einrichtung. Laut Sozialministerium erfolgen diese Lockerungen in einem gestuften Verfahren und in kleinen Schritten. Wie das PZN zudem anfügt, können je nach Einzelfall dann auch unbegleitete Ausgänge oder eine Ausbildung beziehungsweise Arbeit außerhalb der Klinik ermöglicht werden. Gerade in den ersten Monaten eines Aufenthaltes seien die Sicherheitsmaßnahmen für die Patienten aber meist hoch.

© dpa-infocom, dpa:230915-99-208814/3