Angelique Kerber blickte sich mit müden Augen um, als sie sich nach ihrem Erstrunden-Aus in Stuttgart auf ihren Platz für die Pressekonferenz setzte. Die 36-Jährige war nach ihrer misslungenen Rückkehr auf die deutsche Tennis-Bühne nach fast zweijähriger Abstinenz und ihrer Baby-Pause natürlich enttäuscht.
Sie brauche noch Zeit, bis sie wieder ihre erhoffte Klasse erreiche, gestand Kerber am späten Mittwochabend. Mehr als drei Monate nach ihrem Comeback als Mutter war ihr erster Auftritt in Deutschland mit dem 2:6, 1:6 gegen die ehemalige US-Open-Siegerin Emma Raducanu gründlich schiefgegangen.
»Ich weiß, dass ich auf jeden Fall auf Sand noch besser werden muss«, sagte die Stuttgart-Gewinnerin von 2015 und 2016. »Aber dafür habe ich bis Roland Garros noch Zeit, die werde ich mir nehmen und die werde ich auch brauchen.«
French Open beginnen Ende Mai
Zur Einordnung des Auftritts gegen die 15 Jahre jüngere Britin gehört, dass Kerber in Stuttgart zwar schon zweimal den Titel holte, sich auf Sand aber schon öfter schwerer getan hat. Dass sie in der Vorbereitung einen Erkältungsinfekt erwischte, erschwerte die Herausforderung. Aber auch Raducanu hat eine lange Auszeit wegen Operationen hinter sich.
Einen guten Monat kann sich die dreimalige Grand-Slam-Turniersiegerin Kerber noch an das Rutschen und Schlagen auf der roten Asche gewöhnen, bevor in Paris bei den French Open Ende Mai das wichtigste Event dieses Saisonabschnitts losgeht.
Ein paar Tage möchte Kerber regenerieren und ihren Infekt auskurieren und dann die Sandplatz-Vorbereitung neu aufnehmen. Das Masters-1000-Turnier in Madrid, das Mitte kommender Woche begonnen hätte, lässt sie sausen. Erst in Rom nimmt sie den nächsten Angriff, um auf Sand Matchpraxis zu sammeln.
Nach einer holprigen Rückkehr ins Tennis-Geschäft war Kerber auf Hartplatz in Indian Wells mit drei Siegen nacheinander bis ins Achtelfinale gekommen. Anschließend verlor sie in Miami wieder zum Auftakt und musste in Stuttgart ihre vierte Erstrunden-Niederlage beim fünften Turnier hinnehmen. Teilweise war ihre Auslosung ungünstig.
Weltklasse in Stuttgart ohne deutsche Spielerinnen
Das Stuttgarter Hallenevent hat mit ihrem frühen Abschied schon nach Runde eins alle deutschen Einzel-Teilnehmerinnen verloren. Auch Laura Siegemund, Stuttgart-Siegerin von 2017, und Tatjana Maria waren gleich ausgeschieden. Kerbers Erstrunden-Aus bestätigte die Erkenntnis, dass sie noch dabei ist, sich an alte Klasse heranzutasten, wie sie selbst schon vor dem Duell mit Raducanu ahnte. Ihre Niederlage schaut vom Resultat deutlicher aus, als es tatsächlich einige Ballwechsel vermuten ließen. Ihr gelangen mitreißende Punkte, aber nicht mit ausreichender Konstanz.
»Teilweise habe ich gut gespielt, aber dieses Sandplatzgefühl hat dann zwischendrin gefehlt«, bilanzierte die frühere Weltranglisten-Erste. »Die Matchpraxis besonders auf Sand, der Belag, der mir eh nicht liegt, hat noch extrem gefehlt.« Sie sei zudem immer noch angeschlagen gewesen.
Die Strategie, keinesfalls abwartend, sondern mit Power sofort aggressiv zu spielen, war auch aus der Not geboren, dass ihr die Kraft für langes links-rechts laufen fehlte. »Heute war das auf jeden Fall eine Strategie«, antwortete sie auf die Frage, ob es vielleicht eine neue Strategie für ihr Sandplatz-Tennis werden könne: »Natürlich versuche ich auch hier oder da mein Spiel zu verändern.«
In der Weltrangliste steht Kerber noch jenseits der Top 300, nachdem sie als Nummer 657 ins Jahr gestartet war. Eine Frist, wann sie wieder zu den besten 100 zählen möchte, habe sie sich nicht gesetzt. »Ich will ich jetzt erst mal versuchen, gute Matches zu haben, viele Matches zu haben.« Auf Sand sei das schwierig. Ihr Fokus liegt auf der Rasen-Saison und Wimbledon.
Deutsche Tennisspielerinnen in der Weltrangliste
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