STUTTGART. Nachdem sich die grün-schwarze Landesregierung auf eine Lösung im Streit über ein Verbot der Gendersprache im öffentlichen Schriftverkehr geeinigt hat und nun empfiehlt, sich an den Rat der deutschen Rechtschreibung zu halten, hat auch Stuttgarts OB Frank Nopper (CDU) eine neue Marschroute für die Stadtverwaltung veröffentlicht.
»Als öffentliche Verwaltung sollten wir die Sprache der Bürgerschaft sprechen«
Darin heißt es, die Ergebnisse der repräsentativen Stuttgart-Umfrage 2023 des Statistischen Amts zeigten, »dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung die Verwendung von Gendersonderzeichen ablehnt«. Auch habe sich der Rat für deutsche Rechtschreibung in seiner Stellungnahme vom 15. Dezember 2023 erneut für eine geschlechtergerechte Sprache, aber gegen die Verwendung von Gendersonderzeichen wie Sternchen, Doppelpunkten oder Binnen-I ausgesprochen. Der Gesamtpersonalrat der Stadtverwaltung habe in dieser Angelegenheit kein Mitbestimmungsrecht.
Aus diesem Grund sieht sich die Rathausspitze veranlasst, die im 2020 verabschiedete Vorlage zur »Umsetzung der geschlechtersensiblen Verwaltungssprache« außer Kraft zu setzen und neu zu fassen. Es gelte, »Missverständnisse« auszuräumen. In diesem Papier heißt es mit Verweis auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass »ab sofort neben den bisherigen geschlechtsspezifischen (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) und geschlechtsneutralen Formulierungen (Mitarbeitende) der Genderstern (*) (Mitarbeiter*innen) zulässig« ist. Dieser sollte einheitlich verwendet werden, um alle Geschlechter und Geschlechtsidentitäten zu benennen, soweit dies sachlich gerechtfertigt sei.
Wo immer möglich soll Beidnennung erfolgen
Nun wird den Mitarbeitenden in der Verwaltung empfohlen, »in der Regel keine Gendersonderzeichen« zu verwenden, vor allem nicht, wenn man sich an ein breites Publikum wende. Wo immer möglich und stilistisch vertretbar, solle die Beidnennung erfolgen (etwa »Bürgerinnen und Bürger«). Eine gehäufte Anwendung sei aber zu vermeiden. Auch geschlechtsneutrale Begriffe (etwa »Gäste« oder »Mitwirkende«) sollten genutzt werden. Verständlichkeit und Lesbarkeit seien bei der Auswahl maßgebend. Der Oberbürgermeister stellt aber auch klar: »Sofern Teile der Stadtverwaltung in ihrer Korrespondenz und in ihren Publikationen ein Gendersonderzeichen verwenden möchten, sollte diese Entscheidung auch davon abhängig gemacht werden, ob dies dem Sprachverständnis und Sprachgebrauch der adressierten Zielgruppe entspricht.«
Gendersonderzeichen seien 2020 zwar für zulässig erklärt worden und sie blieben es auch, betont Nopper in dem Rundschreiben. Eine Empfehlung für deren Verwendung sei aber nicht ausgesprochen worden. Laut dem OB empfinden viele Menschen die Behördensprache ohnehin schon als schwer verständlich und sperrig. Sie sollte durch eine Gendersprache nicht noch komplizierter werden, so der OB. »Als öffentliche Verwaltung sollten wir die Sprache der Bürgerschaft sprechen und die Menschen sollten uns verstehen können«, so der Rathauschef.
Texte sollen für alle erschließbar sein
Das sei auch deshalb wichtig, weil die Lese- und Textkompetenz bei Deutschen und Ausländern insgesamt abnehme. Gendersternchen schlössen zudem "mehr Menschen aus, als möglicherweise mit guter Absicht eingeschlossen werden. Texte sollten zudem vorlesbar sein, auch mit Blick auf die grundsätzliche Tendenz in den Medien, Texte in vorlesbarer Form zur Verfügung zu stellen. Texte der öffentlichen Verwaltung sollten eine Rechtssicherheit und zugleich eine Eindeutigkeit gewährleisten.
Die Landesregierung hat vor einer Woche im Streit über das Gendern in der Schrift eine Lösung gefunden. Das Kabinett stellte klar, dass die Landesverwaltung im förmlichen Schriftverkehr das amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung und die Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtsreibung einhalte. (GEA)
GENDERN
Das englische Wort Gender bedeutet Geschlecht, aber nicht notwendigerweise das biologische. Gemeint ist, Sprache bewusster zu nutzen. Im Deutschen etwa wird oft die männliche Form benutzt, wenn es um Berufe geht. Über Sinn und Unsinn von Gendern wird seit den 70ern debattiert. Aber spätestens seit im Jahr 2018 die dritte Geschlechtsoption »divers« eingeführt wurde, nahm die Diskussion Fahrt auf. Vorteil: Befürwortern geht es um die Gleichbehandlung der Geschlechter. Sprache wandele sich von jeher und passe sich an die Welt an, in der wir leben. Aktiv zu gendern bedeute auch, Stellung zu beziehen. Nachteil: Gendern wird als elitäres Projekt wahrgenommen, das an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbeigeht. Geschlechtergerechtigkeit werde so nicht erreicht, stattdessen verhunze es die Sprache.