Logo
Aktuell Land

Kein Brückenschlag: Kretschmann sauer auf Berlin

Vor über drei Jahren erneuerten Berlin und Paris ihre Freundschaft. Als Prestigeprojekt wurde der Wiederaufbau einer Rheinbrücke für den Bahnverkehr ins Schaufenster gestellt. Doch es geht nicht voran, was den Besuch von Winfried Kretschmann in Straßburg überschattet.

Winfried Kretschmann
Winfried Kretschmann spricht im Gebäude der Universität von Straßburg mit Medienvertretern. Foto: Philipp von Ditfurth
Winfried Kretschmann spricht im Gebäude der Universität von Straßburg mit Medienvertretern.
Foto: Philipp von Ditfurth

Der von Frankreich und Deutschland fest vereinbarte Wiederaufbau der Rheinbrücke bei Breisach für den Zugverkehr über die Grenze steckt fest. Die baden-württembergische Landesregierung machte am Freitag bei einer Grenzraumkonferenz mit Vertretern der ostfranzösischen Region Grand Est deutlich, dass die Bundesregierung den Ausbau der Bahnstrecke Freiburg nach Colmar ausgebremst habe. Um eine Förderung für den Ausbau zu bekommen, hätte der Bund die Strecke bei der EU für das transeuropäische Netz anmelden müssen, erklärte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) in Straßburg. Das habe Berlin im Gegensatz zur französischen Regierung aber nicht gemacht.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann will das nicht akzeptieren. »Das ist doch einfach unglaublich«, sagte der Grünen-Politiker. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine mache deutlich, dass die europäische Kooperation mehr Tempo brauche. Man müsse aufwachen und sich nicht im Gestrüpp der Zuständigkeiten verheddern. »Da muss ich nochmal tough in Berlin reingrätschen. So geht’s nicht«, sagte Kretschmann. »Die Menschen an der Grenze müssen den europäischen Mehrwert spüren.« Man wolle das Thema weiter vorantreiben. »Wir warten jetzt nicht bis 2030, bis eine Entscheidung fällt. Sicher nicht.« Das Bundesverkehrsministerium widersprach der Darstellung, Berlin bremse hier.

Für das Projekt müsste eine Eisenbahnbrücke über den Rhein in Breisach nach Neuf-Brisach wiederaufgebaut werden, die am Ende des Zweiten Weltkriegs gesprengt worden war. Im Januar 2019 hatten die damalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Staatspräsident Emmanuel Macron in Aachen den neuen deutsch-französischen Vertrag unterzeichnet. In einer gemeinsamen Agenda einigten sich beide auf eine Liste mit 15 Vorhaben, die den »Startschuss zur Umsetzung des Aachener Vertrags« geben sollen. Ein Punkt dabei: Bahnverbindungen sollen verbessert werden, auch durch den Wiederaufbau der Rheinbrücke in Breisach.

Hermann sagte, auch die weitere Strecke Rastatt nach Hagenau sei in Berlin durchs Raster gefallen. Es sei ihm peinlich, als Deutscher zugeben zu müssen, dass sieben solcher grenzüberschreitender Projekte aus den Bundesländern vom Bund abgelehnt worden seien. »Im Deutschen gibt es das Wort Fremdschämen«, sagte Hermann. So gehe es ihm dabei.

Er habe im Dezember nochmal Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) darauf hingewiesen, dass die Strecke Freiburg-Colmar als wichtiges Projekt im Aachener Freundschaftsvertrag mit Frankreich von Anfang 2019 vorgesehen sei - vergeblich. »Es ist sehr ärgerlich, dass wir von der Bundesregierung eine Ablehnung bekommen haben. Ich finde es sogar peinlich.« Das Nein sei schon von der großen Koalition gekommen und von der Ampel erneuert worden. Er verstehe die Enttäuschung auf französischer Seite. »Auch die EU-Kommission ist tief enttäuscht, dass die Bundesregierung dieses Projekt nicht angemeldet hat.«

Der Präsident der Region Grand Est, Jean Rottner, sagte, die Absage aus Berlin werfe keinen Schatten auf die Konferenz mit dem Partner aus Baden-Württemberg. Nach zwei Jahren Corona-Pandemie, dem Regierungswechsel in Berlin sowie der anstehenden Präsidentschaftswahl in Frankreich müsse man Verständnis haben, dass sich politische Entscheidungen verzögern.

Hermann versprach, nicht locker zu lassen und in Berlin und Brüssel darauf zu pochen, solche regionalen Strecken zu fördern und eine passgenaue Finanzierung zu bekommen. Er hoffe darauf, dass Franzosen und Deutsche noch vor 2030 gemeinsam mit dem Zug in Breisach über den Rhein fahren.

Die Landtags-FDP schob den schwarzen Peter weiter an den früheren Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Es handele sich hier um »ein weiteres Versäumnis« Scheuers. »Er hat es nicht vermocht, diese wichtige Angelegenheit rechtzeitig anzumelden, wie es die französische Seite bereits gemacht hat«, sagte der Verkehrsexperte Christian Jung. Die Ampel versuche, die Aufnahme des Ausbaus noch zu erreichen. »Die gespielte Aufregung des Ministerpräsidenten und des Landesverkehrsministers ist unnötig und verfehlt.«

Michael Theurer (FDP), parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, hielt Kretschmann vor, er wolle den Menschen »einen Bären aufbinden«. Die Ampel stehe zu europäischen Infrastrukturprojekten und den in Aachen eingegangenen Verpflichtungen. Sein Ministerium strebe für beide Strecken eine Lösung an, die nicht von einer Aufnahme in das transeuropäische Netz abhängt. Für diese Förderung würden hohe Ansprüche gestellt. »Unterm Strich würde der von Kretschmann vorgeschlagene Weg die Umsetzung der Projekte verlangsamen und für den Steuerzahler verteuern.«

Der Bund beteilige sich auch finanziell an der Studie zur erweiterten Grundlagenermittlung und Bewertung des Vorhabens Freiburg nach Colmar und an der Machbarkeitsstudie für Rastatt nach Hagenau. »Das jetzt so darzustellen, als stünde die Bundesregierung einer Realisierung der Strecken im Weg, ist unerhört«, kritisierte Theurer.

© dpa-infocom, dpa:220401-99-756309/10