Die Demonstrationen gegen die Corona-Regeln in vielen Städten und auch in Reutlingen zeigen nach Ansicht von Oberbürgermeister Thomas Keck (SPD) ein gesellschaftliches Problem. »Wir haben es mit einer Liberalisierung aller, ausnahmslos aller Lebensbereiche zu tun. Sie können heute leben, wie Sie wollen, wo Sie wollen, mit wem Sie wollen, in welcher Art Sie wollen«, sagte der Kommunalpolitiker. Es gebe keine Konventionen mehr, persönlicher Freiheit seien nahezu keine Grenzen gesetzt. »Pflichten will keiner haben, aber alle Rechte.«
Die Pflicht der Bürger sei es jetzt, andere zu schützen. »Und diese Pflicht wird von einer Vielzahl von Menschen in unserer Gesellschaft nicht gesehen und nicht gelebt. Ja, es wird sogar dagegen protestiert«, sagte Keck. Der Staat habe die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Mehrheit geschützt werde. »Und das schmeckt nicht allen.«
Für diesen Samstag ist in Reutlingen erneut eine Versammlung mit 7000 Teilnehmenden angemeldet. Am Samstag vor einer Woche gab es einen Aufzug vom Bürgerpark durch die Innenstadt zurück zum Ausgangspunkt zwischen 18.00 und 20.00 Uhr mit nach Polizeiangaben rund 7500 Personen. Es wurden mehrere Strafverfahren eingeleitet, unter anderem wegen Beamtenbeleidigung - und weil im Bereich der Rednerbühne Polizisten angegangen oder bedroht worden seien.
Keck konnte nichts darüber sagen, wer die Menschen sind, die in Reutlingen seit Wochen demonstrieren, und woher genau sie kommen. Und auch nicht darüber, warum sie gerade in Reutlingen so zahlreich erscheinen.
Die Polizei habe ein einziges Mal bisher - am 18. Dezember - die Personalien von 500 Teilnehmern einer nicht angemeldeten Versammlung aufgenommen. »Damals waren etwa 45 Prozent aus der Stadt. Und ich glaube, nochmal 40 Prozent aus der Region, der Rest dann von weiter her«, sagte Keck. Bei den Kundgebungen wurde laut OB Keck zunehmend gegen die Corona-Verordnung verstoßen, Abstände und Maskenpflicht seien nicht eingehalten worden.
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