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Islamischer Unterricht: Kretschmann nimmt Verbände in Schutz

Nach dem Überfall der Hamas auf Israel gab es deutliche Kritik an der Reaktion mancher muslimischer Verbände - auch von Grünen im Land. An der Zusammenarbeit beim islamischen Religionsunterricht will Ministerpräsident Kretschmann aber dennoch festhalten.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann spricht im Landtag. Foto: Bernd Weißbrod/DPA
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann spricht im Landtag.
Foto: Bernd Weißbrod/DPA

Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat den islamischen Religionsunterricht in Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit der »Stiftung Sunnitischer Schulrat« verteidigt. Der Unterricht sei akzeptiert und alle seien darüber erfreut, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag in Stuttgart. »Solange dieser Religionsunterricht unter staatlicher Aufsicht und Ausbildung stattfindet, muss niemand befürchten, dass in diesem Religionsunterricht Dinge vertreten oder propagiert werden, die unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und unseren Werten widersprechen.« Ihm sei kein Fall bekannt, in dem das passiert wäre.

Aus Kretschmanns Sicht gibt es derzeit keine Alternative zum praktizierten Stiftungsmodell. »Wenn mir dieses Modell zerschossen wird, dann gibt es keinen islamischen Religionsunterricht mehr«, sagte der Ministerpräsident. Dann werde die religiöse Unterweisung wieder privat stattfinden »in irgendwelchen Hinterhöfen« und der Staat werde keinen Einfluss mehr haben. »Dann haben wir mit Zitronen gehandelt«, sagte Kretschmann.

Die »Stiftung Sunnitischer Schulrat« wurde 2019 von der Landesregierung gegründet. Sie ist seitdem im Südwesten für die Organisation des Islam-Unterrichts zuständig. Partner sind der Landesverband der islamischen Kulturzentren in Baden-Württemberg und die Islamische Glaubensgemeinschaft der Bosniaken. Nach Angaben des Kultusministeriums wurden im vergangenen Schuljahr gut 8000 Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg von rund 200 Lehrkräften in islamischer Religionslehre unterrichtet. Das Angebot gibt es an 138 Schulen im Land.

Nach dem Beginn des Gaza-Krieges hatte es scharfe Kritik an der Reaktion muslimischer Verbände gegeben. Diese hätten sich zu spät geäußert und die Taten der Hamas nicht eindeutig genug verurteilt, hieß es. Als Reaktion darauf hatte etwa Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) gefordert, die Zusammenarbeit der Politik mit muslimischen Verbänden zu überprüfen. »Ich finde, wir müssen uns jetzt ehrlich machen: Wenn wir vieles auf den Prüfstand stellen, dann müssen wir auch die Zusammenarbeit mit diesen Verbänden auf den Prüfstand stellen«, sagte Aras vor wenigen Tagen beim Landesparteitag der Grünen.

In einem Interview mit der »Stuttgarter Zeitung« und den »Stuttgarter Nachrichten« (Dienstagsausgabe) knüpfte Aras zudem die Fortführung des islamischen Religionsunterrichts an ein klares Bekenntnis gegen Antisemitismus. »Die jetzige Vereinbarung gilt zunächst bis 2024. Jetzt ist also der richtige Zeitpunkt, mit den Verbänden über unsere Forderungen zu sprechen, etwa, dass Antisemitismus zu verurteilen ist«, sagte die Landtagspräsidentin den Zeitungen. Wenn das nicht akzeptiert werde, müsse man die Zusammenarbeit mit den Verbänden beenden.

Kretschmann nahm die beiden Partner des Landes in Schutz. Die Verbände, die in Baden-Württemberg das Stiftungsmodell tragen, seien an den fragwürdigen Äußerungen nicht beteiligt gewesen, sagte Kretschmann. In einer gemeinsamen Erklärung hatten im Jahr 2022 alle Kirchen und Religionsgemeinschaften, die in Baden-Württemberg am Religionsunterricht beteiligt sind, die Bekämpfung von Antisemitismus als wichtiges Ziel des Religionsunterrichts bezeichnet. Darin heißt es: »Die den Religionsunterricht an baden-württembergischen Schulen tragenden Kirchen und Religionsgemeinschaften verpflichten sich insbesondere, antisemitische Äußerungen und Handlungen zu thematisieren und allen antisemitischen Haltungen entschieden entgegenzutreten.«

In den Bildungsplänen sei zudem klar geregelt, dass ein Unterrichtsziel sei, sich mit eigenen und fremden Vorurteilen gegenüber dem Christentum und dem Judentum kritisch auseinanderzusetzen, sagte Kretschmann. »Antisemitismus und Antijudaismus werden da ausdrücklich als solche Vorurteile genannt.«

© dpa-infocom, dpa:231024-99-682455/4