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Innenstadtchecks für vitale Städte: Land fördert Berater

Die Pandemie hat den Trend zu verödeten Citys noch verschärft. Mit einem Werkzeugkasten versucht das Land, die Menschen wieder in die Städte zu locken und damit auch den stationären Handel in Schwung zu bringen. Innenstadtberater sind der Schlüssel dazu.

Innenstadtchecks für vitale Städte
Die Fußgängerzone von Geislingen an der Steige. Foto: Bernd Weißbrod/DPA
Die Fußgängerzone von Geislingen an der Steige.
Foto: Bernd Weißbrod/DPA

Trostlose Plätze, verschmutzte Unterführungen, leere Geschäfte - in vielen Kommunen laden die Innenstädte kaum zum Verweilen ein. Es fehlen Schatten spendende Bäume, gemütliche Bänke und Cafés mit Stühlen im Außenbereich, die Passanten zu einer Shopping-Pause animieren. Angesichts dieser Entwicklung hat das Wirtschaftsministerium ein spezielles Programm für Kommunen mit 10.000 bis 50.000 Einwohnern aufgelegt. Damit sollen Innenstadtberater finanziert werden. Sie sollen gemeinsam mit den jeweiligen Innenstadtakteuren - Stadtverwaltung, Gastronomie, Hotellerie, Handelsverbände, Touristiker - die Situation analysieren und Konzepte zu ihrer Stärkung als Handels- und Gewerbestandorte erarbeiten.

Kleine Stadt mit vier Zentren

Geislingen an der Steige im Kreis Göppingen gehört zu den Kommunen im Südwesten, die ihren Innenstadtkern mit Hilfe eines Beraters aufpolieren wollten. Das Problem der Stadt mit mehr als 28.000 Einwohnern ist nach Auskunft der IHK Region Stuttgart, dass sie vier Zentren hat, die durch die stark befahrene Bundesstraße 10 getrennt werden. Die Altstadt leidet unter der Dominanz der anderen drei Zentren mit der Folge großer Leerstände. Ein Ringbus verbindet nun auf Vorschlag des Beraters die Zentren miteinander. Gastronomen und Einzelhändlern wurde empfohlen, Anreize zu schaffen, um Kunden zu halten und neue zu gewinnen - etwa von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt. Einen Vorteil hat die Kommune: Die Akteure sitzen schon seit Längerem durch die Handelsvereinigung »Geislinger Sterne« an einem Tisch.

Internethandel macht Städten zu schaffen

Martin Eisenmann, Verantwortlicher für das Projekt Innenstadtberater bei der IHK Region Stuttgart, erläutert: »Ziel ist es, die Aufenthaltsqualität an Standorten mit Herausforderungen zu verbessern und damit auch zum Überleben des Einzelhandels beizutragen«. Der Volkswirt fügt hinzu:. »Der coronabedingte Trend zum Internethandel ist an den Kommunen nicht spurlos vorbeigegangen.«

Dem pflichtet Wirtschaftsministerin Nicole
Hoffmeister-Kraut (CDU) bei: »Durch die Folgen der Pandemie haben viele innerstädtische Einzelhändler an wirtschaftlicher Substanz verloren.« Auch etwa die Inflation und das starke Wachstum des Online-Handels setzten den stationären Einzelhandel weiter unter Druck.

Land unterstützt den Einsatz von Beratern

Seit Juli 2021 konnten Handelskammern und Regionalverbände Fördermittel in Höhe von insgesamt 1,6 Millionen Euro beantragen. Das Projekt wurde mit einer weiteren Tranche von 1,7 Millionen Euro bis Ende 2024 verlängert. Bewilligt wurden Mittel für die Industrie- und Handelskammern Mannheim, Karlsruhe, Freiburg, Stuttgart, Reutlingen, Nordschwarzwald, Schwarzwald-Baar-Heuberg und Ulm sowie für den Regionalverband Heilbronn-Franken. Derzeit sind acht Berater in neun Regionen im Einsatz. »Das ist ein hocheffizientes Mittel, bei dem die Berater als Türöffner und Initiatoren fungieren und nicht als Umsetzer«, lobt Eisenmann.

Im Förderzeitraum 2021/22 haben die Berater 71 Kommunen begleitet. Sie selbst benötigen Einzelhandelsexpertise, regionale Kenntnisse und Erfahrungen mit kommunalpolitischen Gremien. Geeignet sind Absolventen von Hochschulen mit wirtschaftswissenschaftlichem oder geografischem Schwerpunkt oder einer abgeschlossenen Berufsausbildung im Einzelhandel. 80 Prozent der Kosten einer Stelle bis zu einem Maximalbetrag von 68.000 Euro pro Jahr sowie eine halbe Assistenzstelle werden erstattet.

Aus Sicht des Wirtschaftsministeriums muss eine zukunftsfähige Stadt über eine Mischung von Nutzungen verfügen: Einzelhandel und Gastronomie, Kultur- und Freizeiteinrichtungen, Dienstleistungen, Wohnen und Bildung sowie grüne Aufenthaltsflächen. Darüber hinaus seien gute Erreichbarkeit, Sicherheit und Sauberkeit wichtig.

Hilfe bei Innenstadtentwicklung nicht überall erwünscht

Nicht bei allen Kommunen stößt das Angebot auf Interesse. »Nicht alle sind begeistert, so etwas muss aber Chefsache sein«, sagt Eisenmann. Von den 55 antragsberechtigten Kommunen in der Region Stuttgart hat die Hälfte die Förderung verschmäht. Laut Eisenmann wäre das Interesse an einer reinen Geldleistung größer gewesen als das an einer Dienstleistung. Kommen Berater zum Zuge, dann klappern sie Unternehmen, Hochschulen, Selbstständige wie Ärzte und Anwälte ab. Sie fragen, was besser laufen könnte. Sie initiieren Runde Tische und verfassen einen Bericht mit Vorschlägen.

Der Experte betont: »Man muss nicht das große Rad drehen, oft sind es kleine Dinge, die mehr Leben in die Innenstädte bringen.« Schon eine Internetseite mit Hinweisen auf Aktivitäten in einem Ort, gastronomische und kulturelle Angebote sowie Freizeitmöglichkeiten wirkten Wunder. Ein Kummerkasten für die Bürger, Hilfe beim Internetauftritt von Geschäften, ein Schaufenster-Check für den Einzelhandel sowie Energie- und Nachfolgeberatung gehören ebenfalls zu den niederschwelligen Maßnahmen. Eisenmann wünscht sich, dass die Gemeindeverwaltung sich auch als Akteur versteht, der für Frequenz sorgt. »Wenn das Rathaus nur sehr eingeschränkt öffnet, kommen auch weniger Menschen in die Innenstädte.« Die Kommunen selbst müssten Vorreiter bei der Belebung der Innenstädte werden.

Doch das Thema hat es derzeit schwer, räumt Eisenmann ein. So habe der Geislinger Oberbürgermeister Frank Dehmer (parteilos) anlässlich der Übergabe des Berichts des Innenstadtberaters darauf verwiesen, dass viele andere Probleme wie die Unterbringung von Geflüchteten, fehlende Kitaplätze und steigende Energiekosten Vorrang hätten.

PM zu Innenstadtberatern

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