Jan-Lennard Struff klopfte sich auf die Brust und genoss den Applaus des Publikums: Zwei Siege fehlen der Nummer 24 der Welt in Stuttgart zum ersten Titel seiner Tennis-Karriere. Mit dem 6:4, 7:5 gegen den Franzosen Richard Gasquet ist der Davis-Cup-Spieler wie 2019 ins Halbfinale des Rasenturniers eingezogen. Am Samstag (nicht vor 15.30 Uhr/ServusTV und Sky) kämpft Struff um das Erreichen des zweiten Endspiels in diesem Jahr nach seinem grandiosen Erfolgslauf in Madrid.
»Die Reise ist hoffentlich noch nicht zu Ende«, sagte der 33-Jährige bei ServusTV: »Ich freue mich natürlich, wieder Samstag vor den Fans spielen zu dürfen.« Nächster Gegner des 33-Jährigen ist jetzt der polnische Weltranglisten-14. Hubert Hurkacz, der den Australier Christopher O'Connell mit einem 6:4, 6:4-Erfolg stoppte. Das andere Halbfinale des mit 795.730 Euro dotierten Turniers bestreiten der amerikanische Titel-Mitfavorit Frances Tiafoe und der ungarische Qualifikant Marton Fucsovics.
Struff begann das letzte Match dieses Viertelfinal-Tags auf dem mittlerweile windigen Centre Court mit einigen ungewöhnlichen, leichteren Fehlern, sein Sieg schien am Ende aber nicht ernsthaft in Gefahr zu geraten. Überraschend stand Struff nicht dem an eins gesetzten Stefanos Tsitsipas gegenüber, nachdem Gasquet den Griechen am Donnerstag in drei Sätzen entzaubert hatte. Auch gegen Struff zeigte der Wimbledon-Halbfinalist von 2007, dass er auch mit 36 Jahren mithalten kann.
Anfangs musste der Sauerländer mehr um seine Aufschlagspiele kämpfen als der Franzose, sein Erfolg schien am Ende aber nie ernsthaft in Gefahr zu geraten. Unterstützt von den rund 4500 Zuschauern überwand der Warsteiner die Unsicherheit und kam Mitte des ersten Satzes besser in die Partie. Voller Energie rannte Struff nach den Seitenwechseln zur Grundlinie, zum 4:3 nahm er dem Weltranglisten-55. den Aufschlag ab. Plötzlich lief es auch bei eigenem Service, und er holte sich verdient Satz eins.
»Es war nicht so leicht, er hat einen bisschen besseren Start erwischt. Ich habe es irgendwie geschafft dran zu bleiben«, sagte Struff: »Richard kann auf Rasen sehr gut spielen, nimmt viel Tempo aus dem Spiel mit seinem Slice.« Im zweiten Satz half Gasquet zum entscheidenden Break für Struff mit zwei Doppelfehlern nacheinander mit. Nach 74 Minuten war die Partie beendet.
Mit den Siegen der vergangenen Monate hat Struff Sicherheit und Selbstvertrauen für die Matches gewonnen. »Es läuft dann vielleicht ein bisschen leichter«, hatte er vor der Partie gesagt - und zugleich gemahnt: »Immer weiter arbeiten, immer weiter.«
Nach seinen starken Sandplatz-Auftritten - trotz des Erstrunden-Ausscheidens bei den French Open - ist Struff in jedem Fall auch der Auftakt in die kurze Rasensaison gelungen. In der Weltrangliste wird der langjährige Davis-Cup-Spieler am Montag voraussichtlich wieder knapp vor Olympiasieger Alexander Zverev geführt. Schon jetzt steht er so hoch wie nie zuvor. Zu Beginn des Jahres stand er außerhalb der Top 150.
2019 hatte Struff im Halbfinale gegen den späteren italienischen Turniersieger Matteo Berrettini verloren. Einen deutschen Halbfinalisten auf der Anlage des TC Weissenhof hatte es auch 2022 gegeben: Der Kölner Oscar Otte überraschte vor zwölf Monaten. Der bisher letzte deutsche Sieger in Stuttgart heißt Michael Stich - er gewann 1991.
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