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Im Streit um Fauler Pelz: Land setzt auf Regierungspräsidium

Die Zentren für Psychiatrie platzen aus allen Nähten. Mehr Kapazitäten für Patienten sind nur in Heidelberg rasch zu schaffen. Doch die Stadt sträubt sich, ihren früheren Knast dafür herzugeben. Das Land hofft nun auf einen anderen möglichen Verbündeten.

Im Tauziehen um das Heidelberger Ex-Gefängnis »Fauler Pelz« versucht das Land jetzt, über das Regierungspräsidium dessen Nutzung für den Maßregelvollzug durchzusetzen. Das Sozialministerium sieht sich nach Angaben von Montag gezwungen, im Südwesten erstmalig den Weg über den Paragrafen 37 Baugesetzbuch zu wählen.

»Die Stadt hat die zahlreichen Dialogangebote nicht angenommen«, begründete Ministerialdirektorin Leonie Dirks am Montag in Stuttgart das Vorgehen. Es sei ein nicht ganz einfacher und ungewöhnlicher Schritt. Ziel sei aber, eine möglichst einvernehmliche rechtssichere Grundlage für die Nutzung zu bekommen. Wegen des Mangels an Therapieplätzen in den Psychiatrischen Zentren könne sich das Land keine längeren Rechtsstreitigkeiten leisten. Die Stadt wies den Vorwurf mangelnder Gesprächsbereitschaft zurück.

Sie hatte einen Bauantrag eingefordert, damit sich das aus ihrer Sicht zuständige Heidelberger Bauamt mit den baulichen Veränderungen an dem denkmalgeschützten Gebäudekomplex befasst. Dass - wie vom Land beabsichtigt - jetzt womöglich die Karlsruher Oberbehörde entscheiden muss, hatte die Stadt nie im Sinn. Die Kommune strebt die lang geplante Nutzung der Immobilie durch die Universität an und lehnt eine Einrichtung für suchtkranke Straftäter mitten in der bei Touristen beliebten historischen Altstadt ab.

Ein Stadtsprecher bestätigte den Eingang des Bauantrags. »Er wird nun von uns geprüft«, sagte er. Wann diese Prüfung abgeschlossen sein könnte, sei nicht bekannt. Der Sprecher betonte, an dem derzeitigen Punkt des Konfliktes um die Nutzung des »Faulen Pelzes« habe man schon vor einem halben Jahr gestanden. Damals habe das Land eine Bauvoranfrage gestellt, mit der grundsätzlich geklärt werde, ob der Bauherr überhaupt wie geplant bauen darf. Dann sei die Anfrage aber durch das Ressort von Minister Manne Lucha (Grüne) zurückgezogen worden.

Auch aus Sicht der FDP-Landtagsfraktion ist trotz der Dringlichkeit viel Zeit verloren gegangen. »Das wird der Sozialminister erklären müssen, wenn weitere Anträge auf Freilassung bewilligt werden müssen, weil der Standort nicht rechtzeitig fertig wurde«, sagte der Gesundheitsexperte Jochen Haußmann.

Mittels der Paragraf-37-Regelung kann von bauplanungsrechtlichen Vorschriften und damit von der Planungshoheit der Kommunen abgewichen werden - vorausgesetzt, die baulichen Anlagen dienen wichtigen Anliegen des Landes oder des Bundes. Diese besondere öffentliche Zweckbestimmung liegt nach Auffassung des Ministeriums vor, das seinen Bauantrag an die Stadt in der Hoffnung gestellt hat, dass das Regierungspräsidium im Fall einer Absage der Stadt Weisung erteilt.

Dafür gibt es laut Ministerium gute Gründe. So bestehe die Gefahr, psychisch kranke Straftäter mangels Unterbringungsmöglichkeiten vorzeitig in Freiheit entlassen zu müssen. Im ehemalige Gefängnis sollen 80 Plätze für suchtkranke Straftäter eingerichtet werden. Auf Plätze warten derzeit schon 98 Patienten. Die Nutzung soll in diesem Sommer beginnen und bis Juni 2025 dauern. Dirks sagte, in anderen Bundesländern hätten Gerichte in vergleichbaren Nutzungskonflikten Regierungen Recht gegeben.

Die Stadt hatte im Zusammenhang mit dem geforderten Bauantrag des Landes damit gedroht, einen Baustopp zu verfügen. Investitionen von elf Millionen Euro in den Bau sprechen aus Sicht der Kommune nicht dafür, dass es sich nur um die versprochene Übergangslösung bis 2025 handelt.

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