In Berlin gibt es manche Gegend mit einem hohen Anteil an aus Schwaben zugezogenen Menschen. Im Westend muss eine große Gruppe ehemaliger Stuttgarter in Diensten von Hertha BSC am Sonntag (17.30 Uhr/DAZN) alle wohligen Gefühle und Erinnerungen ans Ländle zwingend verdrängen. »Das ist sonnenklar. Von Rücksichtnahme kann keine Rede sein. Die Punkte in Augsburg zählen erst richtig, wenn wir wieder punkten«, sagte Trainer Felix Magath vor der zum großen Showdown im Abstiegskampf stilisierten Partie der Berliner in der Fußball-Bundesliga gegen den VfB Stuttgart.
Der VfB müsse sich auf »einen harten Kampf einstellen«, sagte der 68-jährige Magath, der die Stuttgarter von 2001 bis 2004 betreute. Dies sei privat wie beruflich seine »schönste Zeit« als Trainer gewesen, berichtete der als Coach schon weit gereiste Magath. In Stuttgart ging es für ihn damals erstmals hinauf in die Champions League. Sonst war ja bis dahin immer nur Abstiegskampf angesagt. Wie jetzt wieder mit der Hertha.
Geschäftsführer Fredi Bobic, der von 1994 bis 1999 für den VfB stürmte, erinnerte sich am Freitag an die Zeiten des magischen Dreiecks mit Krassimir Balakow und Giovane Elber: »Es war ein unbeschwerte Zeit. Jeder kennt die Geschichten. Aber sie sind unser Gegner und wir wollen die Punkte«. Dem VfB wünsche er nach dem Spiel »alles, alles Gute.«
Die Hertha rangiert mit einem Punkt Vorsprung auf die Schwaben auf dem 15. Tabellenplatz. Die Partie kann im Saison-Endspurt also schon den Weg weisen. Da war es Magath dann auch egal, ob die Partie nun sein 500. oder 499. Einsatz als Bundesliga-Trainer sein wird. Die Statistiken scheinen uneindeutig. »Diese Zahlen bedeuten mir nichts«, sagte der Hertha-Coach unzweideutig.
Magath kündigte an, weitgehend auf die zuletzt beim 1:0 in Augsburg erfolgreiche Formation setzen zu wollen, mit Kevin-Prince Boateng als Antreiber. Offen sei noch, wer den gelb-gesperrten Marco Richter im offensiven Mittelfeld ersetzen wird. Ein Kandidat ist Vladimir Darida.
Marc Oliver Kempf - wie Abräumer Santiago Ascacibar ein weiterer Ex-Stuttgarter in Charlottenburg - hat sich am Donnerstag im Training nicht schwerer am Knöchel verletzt und steht laut Magath am Sonntag im Olympiastadion zur Verfügung. Der 27-Jährige spielte bis zum Jahresanfang noch für den VfB und brauchte mehrere Wochen, um sich in der Hauptstadt sportlich zu akklimatisieren. Ein Platzverweis und Elfmetervergehen ließen schon boshafte Spekulationen aufkommen, Kempf sei in Wahrheit ein schwäbischer Fußball-Agent im Abstiegskampf.
Magath sieht den Innenverteidiger jetzt aber auf einem guten Weg. »Er wirkt selbstbewusster, er wird gegen seine alten Kameraden für uns wichtig werden«, meinte der Hertha-Coach. Nur schwäbische Nostalgie darf sich Kempf nicht leisten.
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