Der Gemeindetag hat dazu aufgerufen, sich früher mit angefeindeten Kommunalpolitikern zu solidarisieren. »Die schweigende Mehrheit muss laut werden«, sagte Verbandspräsident Steffen Jäger am Donnerstag nach einer Präsidiumssitzung in Eppingen (Kreis Heilbronn). Das gelte bereits, wenn politische Diskussionen von der sachlichen auf die persönliche Ebene abdrifteten - nicht erst wenn Hass und Gewalt angedroht oder ausgeübt werden. »Wir dürfen Kommunalpolitiker nicht allein im Regen stehen lassen, sondern müssen deutlich machen, dass persönliche Angriffe nicht akzeptabel und ein Anschlag auf die Demokratie sind.«
In der Kategorie Hass und Gewalt gegen Amts- und Mandatsträger sind nach Worten Jägers 2021 bundesweit fast 4500 Straftaten verzeichnet worden. Die Zahl der Gewaltdelikte steige rapide, so in Baden-Württemberg von 18 im Jahr 2019 auf 120 im Jahr 2020.
Die Schmähungen und Einschüchterungsversuche reichen von Katzenkot auf Autos über tote Ratten vor der Haustür bis hin zu Drohschreiben und Versammlungen vor Privathäusern der Volksvertreter. Die Anfeindungen beschränken sich Jäger zufolge nicht nur auf Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, kommunale Gremienmitglieder und Beschäftigte des öffentlichen Dienstes. Auch Ehrenamtliche in den Städten und Gemeinden, beispielsweise bei Feuerwehr und Katastrophenschutz, litten unter mangelndem Respekt. Das Sicherheitsgefühl der Betroffenen schwinde und viele stellten sich die bange Frage: »Wann wird aus der Drohung die Tat?«
Jäger sieht hinter dem Unmut gegenüber Politikern eine unrealistische Erwartungshaltung gegenüber dem Staat. »Wir müssen die Vollkasko-Mentalität in Frage stellen und eine Diskussion über die Leistungsfähigkeit des Staates führen.« Die Kommunalpolitiker seien dem Gemeinwohl verpflichtet, nicht der Durchsetzung individueller Interessen.
Der in Stuttgart ansässige Kommunalverband schlägt im Kampf gegen Hass und Hetze vor, Schwerpunktstaatsanwaltschaften und spezialisierte Kammern an den Strafgerichten zu bilden und so das Wissen um die Delikte zu schärfen und Strafverfahren zu beschleunigen. Zudem könne eine neuen Strafvorschrift für »Nachstellung gegenüber Amts- und Mandatsträgern« den Schutz deutlich verbessern. Zudem regt der Verband an, dass Teilnehmer von Debatten im Internet ihren Namen nennen müssen. Sicherheitskonferenzen mit Experten, Vertretern von Polizei und Justiz könnten kommunale Amts- und Mandatsträger beim Umgang mit Hass und Hetze unterstützen.
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