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Aktuell Rassismus

Hasnain Kazim in Tübingen: Mit Humor gegen Hasskommentare

Wie der Journalist Hasnain Kazim und der Schiedsrichter Deniz Tekin auf Beleidigungen reagieren

Hasnain Kazim las seine Antworten auf Hasskommentare vor.  FOTO: STRAUB
Hasnain Kazim las seine Antworten auf Hasskommentare vor. FOTO: STRAUB
Hasnain Kazim las seine Antworten auf Hasskommentare vor. FOTO: STRAUB

TÜBINGEN. Ein ernstes Thema sorgte in der Mensa Uhlandschule für viele Lacher. Denn auf rassistische Anfeindungen reagiert der Journalist Hasnain Kazim ebenso bissig wie humorvoll. Wenn er dem Hater Karlheinz – namensgebend für seinen Bestseller, aus dem er las – antwortet, entwickeln sich groteske Dialoge in Mailform. So kündigt Kazim den Besuch seiner fiktiven Großfamilie an, um endlich zu lernen, wie sich ein richtiger Deutscher verhält und empfiehlt zugleich, den Gartenschlauch bereitzuhalten, um das Blut nach der Schächtung von Tieren für den Grill wieder wegzuwaschen.

Anders reagierte Hobbyschiedsrichter Deniz Tekin vom Tübinger Integrationsrat, als er auf dem Fußballplatz angefeindet wurde. »Den Platz verlässt du nicht mehr lebend« und er sei »der letzte seiner Zunft«, brachte ihm einer der Trainer entgegen. Das sei nicht schön, aber noch erträglich. Übel wurde es jedoch, als der Streit zu einer Prügelei zu eskalieren drohte und der Trainer sagte: »So einen Scheiß-Kanacken wie dich fasse nicht nicht an.« Das habe ihn verletzt, so Tekin. Er habe sich umgedreht und sei gegangen. Schließlich sollte die Situation nicht weiter eskalieren. Doch war das richtig?

Täglich rassistische Hassmails

Als Sohn indisch-pakistanischer Einwanderer erhält der Deutsche Kazim täglich rassistische Hassmails. »Wenn wir schweigen, beginnen wir, den Hass zu akzeptieren. Also, reden wir«, so Kazim. Er antwortet geduldig und schlagfertig auf Hassmails, die er erhält und machte in Tübingen Mut, es ebenso zu handhaben. In der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Situation sei dies dringend notwendig, um den Rechten entgegenzutreten und die Demokratie aufrechtzuerhalten und Zugehörigkeit zu verschaffen.

Er studierte Politikwissenschaften in Hamburg und diente ab 1994 als Offiziersanwärter auf dem Segelschulschiff Gorch Fock. Von 2004 bis 2019 schrieb er als Auslandskorrespondent für den Spiegel und berichtete aus Islamabad, Istanbul und Wien. Er wurde mit dem »CNN Journalist Award« ausgezeichnet. Heute lebt er in Wien. Kazim erhält auch Hassbotschaften von Islamisten, die ihn für einen Linken halten. In Tübingen habe jemand auf ein Werbeplakat für die Lesung »Rassist« geschrieben. »Offensichtlich triggere ich verschiedene Gruppen«, sagte Kazim. Er selbst sehe sich politisch eher in der Mitte. »Zuwanderung ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen«, sagte Kazim. Er sei dagegen, alle unkontrolliert ins Land zu lassen, genauso wie gegen die Vorstellung, die Grenzen dicht zu machen. Er spielt mit Vorurteilen: Seine billige Casio-Uhr zum Beispiel gelte als Verdachtsmoment bei der Einreise in die USA. »Sie eignet sich hervorragend als Zeitzünder«, sagte Kazim.

»Meine Uhr eignet sich hervorragend als Zeitzünder«

Er wurde 1974 in Oldenburg geboren und wuchs nahe Hamburg sowie in Karachi in Pakistan auf. »In meiner Kindheit war ich nicht mit Rassismus konfrontiert«, sagte Kazim. Wurde er zum Beispiel in der Grundschule wegen seiner Hautfarbe beleidigt, fällt das für ihn in einer andere Kategorie. »Das tat weh, ist aber kein Rassismus«, sagte Kazim. Andere Kinder seien wegen ihrer Segelohren, vorstehender Zähne, roter Haare oder ihres dicken Bauches charakterisiert worden. »Kinder suchen sich solche Merkmale, wenn sie andere ärgern wollen«, sagte Kazim. In seinem Dorf habe es bis auf Erntehelfer praktisch keine Ausländer gegeben.

Diese lebten bei den Bauern, waren aber nicht Teil der Gemeinschaft. Ab den 1990er-Jahren brannten in Deutschland immer wieder Flüchtlingsheime, Menschen wurden durch die Straßen gejagt. »Mir war klar, ab jetzt habe ich wegen meiner Hautfarbe und dem fremden Namen möglicherweise ein Problem in diesem Land«, sagte Kazim.

Als 17-Jähriger schrieb er 1992 nach den Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen seinen ersten politischen Kommentar und erhielt seine ersten sieben Hassbriefe als Reaktion. Tenor: Als Ausländer solle er das Maul nicht aufreißen. »Da hatte ich Angst«, sagte Kazim. Eine Lehrerin, selbst Französin, hingegen ermutigte ihn: »Lass dich niemals einschüchtern.« Ab Mitte der 90er-Jahre sei die Stimmung besser geworden. »Mir war immer klar, das kann wieder hervorbrechen«, sagte Kazim. Mit dem Internet gab es dann die Möglichkeit, den Hass bequem vom Wohnzimmer aus und scheinbar anonym zu verbreiten. Als »Dammbrüche« bezeichnete er das 2010 von Thilo Sarrazin veröffentlichte Buch »Deutschland schafft sich ab«, in dem dieser vor allem gegen Muslime hetzte, die Flüchtlingswelle ab 2015 und den Einzug der AfD in Parlamente. (GEA)