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Große Unterschiede bei Impfquote in Pflegeheimen im Kreis Reutlingen

Die Regierung veröffentlicht Zahlen nach einer kleinen Anfrage der Tübinger SPD-Landtagsabgeordneten Dorothea Kliche-Behnke. Diese vermutet, dass die Unterschiede mit dem Heimträger zusammenhängen.

Heim ist nicht gleich Heim: In einer Einrichtung im Landkreis Reutlingen sind nur 15 Prozent der Bewohner geboostert, in einer a
Heim ist nicht gleich Heim: In einer Einrichtung im Landkreis Reutlingen sind nur 15 Prozent der Bewohner geboostert, in einer anderen 100 Prozent. Woran das liegt, ist unklar. SYMBOLBILD: WELLER/DPA Foto: dpa
Heim ist nicht gleich Heim: In einer Einrichtung im Landkreis Reutlingen sind nur 15 Prozent der Bewohner geboostert, in einer anderen 100 Prozent. Woran das liegt, ist unklar. SYMBOLBILD: WELLER/DPA
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REUTLINGEN. Bei den Impfquoten in Reutlinger Pflegeheimen gibt es große Unterschiede. Während in der einen Einrichtung gerade mal 75 Prozent der Bewohner und 66 Prozent der Beschäftigten vollständig geimpft sind, erreicht die andere Einrichtung jeweils 100 Prozent. Das geht aus der Antwort des Gesundheitsministeriums Baden-Württemberg auf eine Kleine Anfrage der Tübinger SPD-Landtagsabgeordneten Dorothea Kliche-Behnke hervor. Der Oppositionspolitikerin zufolge gibt es deutliche Hinweise darauf, dass die Unterschiede mit dem Heimträger zusammenhängen: Große, öffentliche Betreiber seien beim Impfen engagierter als kleine, private. Überprüfen lässt sich das aber nicht, denn dazu möchte das grün-geführte Ministerium mit Verweis auf den Datenschutz keine Angaben machen.

Im Schnitt sind in den Pflegeheimen im Landkreis Reutlingen 86 Prozent der Bewohner vollständig geimpft, 77 Prozent sind geboostert. Die Mitarbeiter schneiden mit 85 respektive 39 Prozent schlechter ab. Damit liegt Reutlingen insgesamt leicht unter dem baden-württembergischen Durchschnitt, beim Booster für Beschäftigte sogar deutlich: Nach Angaben des Gesundheitsministeriums haben in der stationären Pflege landesweit 92,4 Prozent der Bewohner zwei Impfungen erhalten, 77,5 Prozent eine Auffrischungsimpfung. Die Mitarbeiter erreichen 86,3 beziehungsweise 51,4 Prozent.

Datenschutz statt Auskunftsrecht

Allerdings sind das nur Mittelwerte, im Landkreis Reutlingen gibt es starke Ausschläge nach unten und oben. In einer Einrichtung sind beispielsweise nur 73 Prozent der Bewohner zweimal und 15 Prozent dreimal geimpft. Bei den Beschäftigten schaut es noch schlechter aus: In einem Heim sind nur 66 Prozent doppelt geimpft, in einem anderen nur 9 Prozent geboostert. Manche Häuser machen nicht einmal Angaben, obwohl seit letztem Dezember eine Meldepflicht gegenüber dem Gesundheitsamt besteht. Der Spitzenreiter dagegen erreicht in allen vier Kategorien 100 Prozent.

Wie kommt es zu diesen Unterschieden? »Dem Landratsamt Reutlingen liegen hierzu keine Erkenntnisse vor«, schreibt das Gesundheitsministerium unter Leitung von Manfred Lucha (Grüne) und fährt fort: »Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass die Gründe für geringe Impfquoten vielfältig sind.« Als allgemeine Gründe listet das Ministerium Impfskepsis im Allgemeinen und Ablehnung der Covid-Impfung oder der Auffrischungsimpfung im Besonderen, verschlechterter Gesundheitszustand, Krankenhausaufenthalt oder Impfdurchbruch, die eine Impfung nicht zulassen, und Neuzugänge, die vor dem Boostern erstmal grundimmunisiert werden müssen.

»Diese Antwort ist nicht hinreichend«, kritisiert SPD-Frau Kliche-Behnke. Denn sie erkläre zwar die niedrigen Impfquoten, aber nicht die Unterschiede. Stattdessen haben sie und ihre Fraktionskollegen einen Verdacht: »Wir haben deutliche Hinweise darauf, dass der Träger großen Einfluss auf die Impfquote hat.«

Grundsätzlich wird unterschieden zwischen staatlichen, freigemeinnützigen und privaten Trägern. Zu den staatlichen Trägern zählen Städte, Gemeinden und Landkreise, zu den freigemeinnützigen Trägern vor allem kirchliche Organisationen. Bei den privaten Betreibern kann es sich um einzelne Einrichtungen oder Ketten handeln. »In Gesprächen habe ich den Eindruck gewonnen, dass kommunale und große Träger ein starkes Augenmerk auf hohe Impfquoten legen«, berichtet Kliche-Behnke. Um diese Vermutung zu überprüfen, haben SPD-Parlamentarier für Dutzende Landkreise – darunter Reutlingen – eine Kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt.

Doch die erhoffte Aufklärung bleibt aus: »Die Frage kann aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht beantwortet werden«, erwidert das Ministerium und winkt zugleich ab: »Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, dass Impfquoten in Pflegeheimen in signifikanter Weise mit der Trägerschaft der Einrichtungen korrelieren.« Für Kliche-Behnke keine einmalige Erfahrung: »Wenn ich als Vertreterin der Opposition Fragen zur Sozialpolitik stelle, wird mir mit Verweis auf den Datenschutz häufig keine Antwort gegeben.«

Kontrolle durch Heimaufsicht

Je nach Einschätzung der Ursachen variieren auch die Maßnahmen zur Verbesserung der Impfquote. Das Gesundheitsministerium gibt an, die Heime regelmäßig über Impfangebote durch niedergelassene Ärzte und mobile Impfteams zu informieren. Vor Inkrafttreten der einrichtungsbezogenen Impfpflicht am 16. März solle jedem Pflegeheim ein weiteres Impfangebot unterbreitet werden. Im November hat die Heimaufsicht erstmals die Impfquote in den Pflegeheimen abgefragt. »85 Prozent der Einrichtungen meldeten, dass es keine Schwierigkeiten bei der Organisation von (Auffrisch-)Impfungen gibt«, resümiert das Ministerium.

Sollten dennoch Probleme auftreten, könnten die Einrichtungen sich Unterstützung holen bei der Heimaufsicht, dem Impfstab des Gesundheitsministeriums und den Pandemiebeauftragten der Kassenärztlichen Vereinigung. Mit dem Resultat ist das Ministerium zufrieden: »Die Ergebnisse bestätigen den Befund, dass die Impfkampagne in den Pflegeheimen des Landes erfolgreich läuft.«

Weniger begeistert vom Impferfolg ist SPD-Frau Kliche-Behnke. Angebot und Information allein reichen ihr nicht. Gesundheitsminister Lucha wirft sie eine laxe Haltung vor: Er sei der Meinung, bei impfunwilligen Bewohnern und Beschäftigten könne man halt nichts machen. Anders Kliche-Behnke: Bei Pflegeheimen mit unterdurchschnittlicher Impfquote wünscht sie sich ein energischeres Eingreifen: »Da muss die Heimaufsicht genauer hinschauen und das Ministerium mehr Druck machen.« (GEA)