STUTTGART. Noch brüllt kein Tiger in der Asiatischen Anlage der Wilhelma, denn auf den 5.055 Quadratmetern unweit der Anlage der Asiatischen Hängebauchschweine beim Schaubauernhof wird noch gearbeitet. Erdbau, Rohbau und Dachabdichtung sind schon erledigt. Gebaut wird seit Januar dieses Jahres, wie Christian Angermann vom Hochbauamt des Landesbetriebs Vermögen und Bau erklärt. Ein schlichter Rohbau aus Beton steht bereits, und die großzügige Außenanlage für die größte Katze der Welt, den Amur-Tiger, ist in groben Zügen schon erkennbar.
Nachdem im alten Raubtierhaus die 21 Jahre alte Sumatra-Tigerin gestorben ist und Käfige nicht mehr zeitgemäß sind, hat sich die Wilhelma für einen Neubau der Anlage entschieden, sagt Wilhelma-Direktor Thomas Kölpin. Für Sumatra-Tiger ist das Klima in den hiesigen Breitengraden nicht so gut. Deshalb setzt die Wilhelma jetzt auf die Zucht von Amur-Tigern oder auch Sibirische Tiger genannt. Sie sind im Sommer an Hitze gewöhnt und haben im Winter sogar mit minus 40 Grad kein Problem. Gebaut wird nun ein Stallgebäude, das frostfrei gehalten werden kann. »Das spart Betriebs- und Baukosten und ist nachhaltig«, so Kölpin.
Der Amur-Tiger ist für den Direktor etwas Besonderes, »weil es die größte Katze der Welt ist, die über 300 Kilo schwer wird«. Demgegenüber gibt es ja bereits die kleinen Servale in der Wilhelma. Diese Gegenüberstellung reizt Kölpin. Zudem ganz wichtig: der Artenschutz. Denn: Der Amur-Tiger ist vom Aussterben bedroht und Bestandteil des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP). Um die Amur-Tiger kümmert sich der Tierpark Berlin. »Diese haben die geplante Anlage in der Wilhelma als herausragend eingestuft und eine Zuchtempfehlung abgegeben«, freut sich Kölpin. Wenn alles fertig ist, bekommt die Wilhelma ein junges Amur-Tiger-Pärchen. Wo genau es herkommt, ist noch nicht klar.
Doch erst einmal muss die Anlage fertig sein. Gebaut werden müssen noch der Zaun, die Besucherunterstände, die Außenanlagen mit Elementen zur Tigerbeschäftigung und die haustechnischen Anlagen. »Alle Maßnahmen laufen im vorgesehenen Zeitplan«, weiß Angermann. Das Gebäude für die Amur-Tiger, welches von den Besuchern nicht betreten wird, hat eine Grundfläche von 315 Quadratmetern. Im vier Meter hohen Betongebäude, das ein offener Stall mit sechs Tigerboxen sein wird, wird auch ein Wasserspeicher gebaut. Die Zisterne hat ein Speichervolumen von rund 870 Kubikmeter. Sie wird vom Wasser der Auquelle und Regenwasser gespeist. Auf dem Dach des Stalls wird eine Fotovoltaikanlage installiert. Die Außenanlage mit ihren rund 4.500 Quadratmetern wird in drei Bereiche teilbar sein. In zwei Anlagen eingeteilt gibt es Platz für eine Katze und einen Kater. Oder für Jungtiere und die Mutter und auf der anderen Seite den Vater. Amur-Tiger werden im Alter von zwei Jahren geschlechtsreif. Sie können zwei bis sechs Jungtiere bekommen.
Kosten von 4,7 Millionen Euro
Die wilden Großkatzen leben ursprünglich ja in einer Taigalandschaft mit Waldcharakter und Schatten. Dies wird nun in der Wilhelma nachgebaut. Passenderweise gibt es auf der Anlage bereits einige alte Zerreichen. Weitere Bäume werden noch gepflanzt. Es wird sibirische Vegetation, Versteckplätze und Beschäftigungsmöglichkeiten geben und für die Besucher drei Einblicke von außen. Die Fundamente für den vier Meter hohen Sicherheitszaun werden gerade vorbereitet.
Eine besondere Attraktion ist der Tunnel, in den die Besucher in die Anlage gehen können, an den Wänden Informationen lesen und den Tiger auf Augenhöhe erleben. Der Betonbau bietet Ausblicke auf die Anlage. »Das gibt ein besonderes Nah-Erlebnis«, hofft auch Angermann. Noch ist das Betonbauwerk freistehend zu sehen. Es wird noch in die Anlage integriert und das Dach begrünt.
»Es wird eine sehr moderne, weltweit führende Tiger-Anlage werden«, freut sich Kölpin. Die Tiere sollen sich an das Biotop in ihrer Heimat erinnern. Amur-Tiger schlafen wie Löwen sehr viel, 20 Stunden am Tag. Im Zoo sind sie auch tagaktiv. Amur-Tiger jagen als Großtierjäger in freier Wildbahn Großsäuger. Hirsche sind ihr Hauptnahrungsmittel, aber auch Wildschweine. Im Zoo bekommen sie Fleisch verschiedener Tiere, auch eigener Tiere vom Schlachter als Futter. Gleich südlich des Schaubauernhofs werden die Besucher noch eine Attraktion vorfinden: Dort entsteht ein Wasserbecken. Hinter Glasscheiben, die bis zum Boden gehen, werden die Großkatzen beim Baden zu sehen sein.
Der Neubau der Tigeranlage ist mit Gesamtkosten in Höhe von 4,7 Millionen Euro veranschlagt, erklärt Angermann. Der Verein der Freunde und Förderer der Wilhelma steuert dabei eine Million Euro bei. »Die Baustelle schreitet zügig voran. Wir freuen uns, ab Sommer 2024 die größte Tigerart hautnah erleben zu können. Wenn es dann auch noch gelingt, Nachwuchs zu züchten, dann wird diese Anlage ein weiterer Grund, in die Wilhelma zu gehen«, sagt Georg Fundel, Vorsitzender des Vereins der Freunde und Förderer der Wilhelma. (GEA)