Der Journalist, der die sogenannte Polizeiaffäre Südwesten mit ins Rollen brachte, hat der Polizeiführung im Südwesten verheerende Missstände vorgehalten. »Die Polizei Baden-Württembergs hat ein strukturelles Führungsproblem, in dem persönliche Verbindungen mehr gelten als Eignung und Befähigung, erst recht als Kritik und das Aufzeigen von Mängeln«, bilanzierte der Reporter am Montag vor dem Untersuchungsausschuss im Landtag. »In der Landespolizei beginnt sich ein Klima aus Angst breit zu machen.« Entscheidungen würden immer stärker aktiv oder passiv auf Untergebene delegiert, um als Polizeiführer keine Fehler zu machen.
In dem Ausschuss geht es um sexuelle Belästigung in Landesbehörden, um Beförderungspraktiken bei der Polizei und um die Weitergabe eines Anwaltsschreibens durch Innenminister Thomas Strobl (CDU). Ein inzwischen suspendierter Inspekteur der Polizei soll Ermittlungen zufolge vor fast einem Jahr in Stuttgart eine Polizeibeamtin sexuell belästigt haben. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat kürzlich Anklage wegen sexueller Nötigung erhoben. Strobl hatte ein Schreiben des Anwalts des Inspekteurs an einen Journalisten weitergereicht - und war deshalb ebenfalls unter Druck geraten. Die Ermittlungen gegen Strobl werden aber gegen Zahlung einer Geldauflage von 15.000 Euro eingestellt.
Reporter brachte Stein ins Rollen
Der Journalist hatte das Schreiben veröffentlicht. Die Behörde hatte gegen ihn deshalb wegen des Verdachts verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen ermittelt. Der Journalist sprach am Montag von einer »pressefeindlichen Rechtsform«. Die Opposition habe diese benutzt, um Innenminister Strobl zum Rücktritt zu bewegen. Das Parlament habe es mitunter befördert, dass die Pressefreiheit mit Füßen getreten wurde.
Der Reporter nutzte den Auftritt auch für einen Angriff auf die Staatsanwaltschaft. Mit ihren Ermittlungen hätten die Staatsanwälte unterbunden, dass er weiterhin über die Affäre und die Vorwürfe gegen den Inspekteur der Polizei berichten könne, sagte der Reporter. Der Gedanke scheine nicht fern, dass die Ermittlungen lediglich erfolgt seien, um einen kritischen Journalisten ruhig zu stellen. Das Verfahren gegen den Journalisten wurde zwischenzeitlich eingestellt.
»Weder ich noch Minister Strobl haben uns nach eigenem Verständnis und der ausdrücklichen Bewertung maßgeblicher Juristen und Kommentatoren des deutschen Strafrechts auch nur im Ansatz etwas zu Schulden kommen lassen«, sagte der Reporter. Journalisten und Abgeordnete dürften nicht müde werden, derartigen Entwicklungen entgegenzutreten. Das höchste Gut des Staates sei das Vertrauen der Bürger. Aber das Vertrauen in die Polizei und innerhalb der Polizei sei nun nachhaltig gestört. »Welche Polizeibeamtin, welcher Polizeibeamte wird sich künftig trauen, in einem Klima der Angst Missstände offen anzusprechen«, fragte er.
Zunächst hatte die Staatsanwaltschaft dem Reporter eine Einstellung gegen Geldauflage angeboten, dies hatte der Journalist abgelehnt. Anschließend wurde das Verfahren ohne Auflage eingestellt. Der Reporter wollte im Ausschuss keine Fragen beantworten und hielt sich strikt an sein Redemanuskript - er fürchtet, dass die Staatsanwälte die Ermittlungen wieder aufnehmen könnten. Er berichtete von Mauscheleien bei der Besetzung von Spitzenposten in der Polizei. Beim Spezialeinsatzkommando werde eine Liste mit unbequemen Beamten unter der internen Bezeichnung »Todesliste« geführt.
Pressefreiheit massiv eingeschränkt?
Die Freiheit der Presse sei massiv eingeschränkt worden, sagte der Journalist. Der Untersuchungsausschuss müsse das aufklären, um Vertrauen in rechtsstaatliches Handeln wieder herzustellen. Es gehe hier nicht um ihn oder Minister Strobl, sondern um die Verfassung und den Glauben an den Rechtsstaat.
Am Nachmittag sollte Ministerpräsident Winfried Kretschmann als Zeuge im Untersuchungsausschuss auftreten. Nach zwei Befragungen von Innenminister Thomas Strobl (CDU) wurde die Aussage des grünen Regierungschefs mit Spannung erwartet. Aus Kretschmanns Sicht schießt die Opposition zumindest in der Causa Strobl weit übers Ziel hinaus. Sie habe die Weitergabe des Anwaltsschreibens »ziemlich aufgeblasen«, hatte Kretschmann erst vor wenigen Tagen gesagt. »Wir leben in sehr, sehr schwierigen Zeiten, da würde ich mir schon wünschen, dass die Dinge besser dimensioniert werden.« Die Vorkommnisse hätten zudem das Regierungshandeln »zu keinem Zeitpunkt ernsthaft beeinträchtigt«. (dpa)