Logo
Aktuell Land

Gewerkschaft zufrieden mit Warnstreik bei Bus und Bahn

U-Bahnen, Busse, Straßenbahnen, sogar eine Bergbahn und die Schiffe am Bodensee - fast alles stand am Freitag in Baden-Württembergs größten Städten still. Es war nicht die einzige Protest, der Aufsehen erregte.

Warnstreik im Nahverkehr - Stuttgart
Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Warnstreiks stehen vor einem Stadtbahndepot der SSB. Foto: Marijan Murat
Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Warnstreiks stehen vor einem Stadtbahndepot der SSB.
Foto: Marijan Murat

In mehreren baden-württembergischen Großstädten hat es am Freitag Warnstreiks im öffentlichen Personennahverkehr gegeben. Das stellte vor allem Pendler auf die Geduldsprobe. Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit oder in die Schule wollte, musste sich in Stuttgart, Freiburg, Mannheim, Heilbronn, Ulm, Esslingen, Konstanz, Baden-Baden und Karlsruhe eine Alternative überlegen.

In diesen Städten waren nach Angaben von Verdi weit über 6000 Beschäftigte der kommunalen Nahverkehrsunternehmen den ganzen Freitag über aufgerufen, die Arbeit niederzulegen. »Wir haben eine größere Beteiligung als in den vergangenen Jahren«, sagte Jan Bleckert vom Verdi-Landesbezirk Baden-Württemberg. Ähnliche Aktionen gab es in fünf weiteren Bundesländern.

Die Gewerkschaft Verdi, die damit den Druck im Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen erhöhen will, zeigte sich sehr zufrieden. »Es sind alle dabei«, sagte Reiner Geis aus dem Verdi-Bezirk Südbaden Schwarzwald. Dort wurden die Verkehrsbetriebe Freiburg ebenso bestreikt wie die Konstanzer Stadtwerke. Nicht nur Busse und Bahnen blieben in den Depots, auch die Bergbahn Schauinsland und die Fähre der Weißen Flotte am Bodensee zwischen Konstanz und Meersburg fuhren nicht.

Im Verdi-Bezirk Rhein-Neckar machten sich die Verantwortlichen wenig Sorgen, dass der Warnstreik den Protesten der Klima-Aktivisten am selben Tag in die Quere kommen könnte. »Im Gegenteil«, sagte Geschäftsführerin Kathrin Biro. »Wir haben das gemeinsame Ziel. Und Klimaaktivisten sind flexibel, wenn es um Mobilität geht.« Auch in Heilbronn war kein Bus unterwegs, S-Bahnen fuhren nicht durch das Stadtgebiet, sondern hielten am Hauptbahnhof.

In Stuttgart fuhren S-Bahnen dagegen trotz des Streiks. Sie wurden von der Deutschen Bahn bedient. Erstmalig in der Geschichte des Karlsruher Verkehrsverbundes waren in der Fächerstadt die Albtalverkehrsgesellschaft AVG und die Verkehrsbetriebe Karlsruhe VBK gemeinsam zum Arbeitskampf aufgerufen.

Bereits seit Wochen bekommen viele Bürgerinnen und Bürger Warnstreiks im öffentlichen Dienst zu spüren. Verdi und der Beamtenbund dbb wollen damit ihre Forderungen in der laufenden Tarifrunde für die Kommunen und den Bund untermauern.

Die Arbeitgeber hatten bei den bundesweiten Verhandlungen in Potsdam in der zweiten Runde vergangene Woche zwar ein Angebot vorgelegt. Die Gewerkschaften wiesen es aber umgehend zurück. Das Angebot umfasst unter anderem eine Entgelterhöhung von insgesamt fünf Prozent in zwei Schritten und Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 2500 Euro. Verdi und der Beamtenbund dbb fordern 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat. Die Arbeitgeberseite hatte die Forderungen als »nicht leistbar« abgelehnt.

Für Ende März ist die wohl entscheidende dritte Runde angesetzt. Verdi-Chef Frank Werneke hatte bereits gesagt, eine Urabstimmung über einen regulären Streik sei »auf der Agenda«, falls die dritte Runde keinen Durchbruch bringt.

Die Verdi-Aktion fand gemeinsam mit den Klimaaktivisten von Fridays for Future statt, die für Freitag zu Protesten für mehr Klimaschutz aufgerufen hatten. Heftige Kritik an Verdi kam deshalb von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Die Kooperation sei »eine gefährliche Grenzüberschreitung«, sagte der BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. »Streiks sind zulässig, um Tarifverträge zu erreichen, die Arbeitsbedingungen regeln.« Wer aber Arbeitskämpfe und allgemeinpolitische Ziele miteinander vermische, gerate schnell auf ein Spielfeld jenseits der deutschen Tarifautonomie. Politische oder quasi politische Streiks seien in Deutschland rechtswidrig.

Diese Kritik wies Martin Gross, Bezirksleiter von Verdi in Baden-Württemberg entschieden zurück. Aus dessen Sicht sind die Angriffe des BDA-Hauptgeschäftsführers die »eigentlich gefährliche Grenzüberschreitung«. Dass sich junge Menschen mit den Streikenden solidarisieren, sei ihr Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Gross forderte die Arbeitgeber im öffentlichen Dienst auf, sich von Kampeter zu distanzieren.

Allein im Südwesten rechnete Fridays for Future mit Tausenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei Demonstrationen in mehr als 40 Städten. Die größte Kundgebung war in Stuttgart mit 5000 angemeldeten Teilnehmenden geplant, in Freiburg wurden 4000 und in Karlsruhe 3000 Menschen erwartet. Unter dem Motto »#TomorrowIsTooLate« (morgen ist es zu spät) waren nach Angaben der Veranstalter Proteste unter anderem in Stuttgart, Biberach, Geislingen, Freiburg, Reutlingen, Wiesloch, Heidenheim, Ludwigsburg, Heidelberg und Mannheim geplant.

Pressemappe BMI

Presseinfos von Verdi

Aktuelle Mitteilung

© dpa-infocom, dpa:230302-99-805375/4