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Geschäfte mit Patienten? Prozess um Stuttgarter Klinikskandal

Krumme Geschäfte mit Auslandspatienten am Klinikum sollen die Stadt Stuttgart Millionen gekostet haben. Seit Jahren wird ermittelt, es gab Razzien und zahlreiche Verdächtige. Nun landet der Fall vor Gericht. Es dürfte der Auftakt zu einer langen Prozessserie sein.

Justitia-Statue
Die Statue der Justitia steht mit einer Waage und einem Schwert in der Hand-. Foto: Arne Dedert/dpa/Symbolbild
Die Statue der Justitia steht mit einer Waage und einem Schwert in der Hand-. Foto: Arne Dedert/dpa/Symbolbild

STUTTGART. Der Skandal um dubiose Geschäfte bei der Behandlung ausländischer Patienten am Klinikum Stuttgart wird in den kommenden Monaten auch die Richter beschäftigen. Von diesem Donnerstag (9.00 Uhr) an müssen sich drei angeklagte Dienstleister für die längst aufgelöste Auslandsabteilung des Klinikums verantworten. In der sogenannten International Unit (IU) wurden solvente Privatpatienten vor allem aus dem arabischsprachigen Raum versorgt.

Das Trio auf der Anklagebank des Stuttgarter Landgerichts soll mit dem Wissen von Klinikum-Mitarbeitern überhöhte Patientenabrechnungen ausgestellt und auch nicht erbrachte Leistungen abgerechnet haben, um die Provisionen zu kassieren. Es muss sich unter anderem wegen des Verdachts des Betrugs, der Anstiftung oder Beihilfe zur Untreue und der Bestechung verantworten.

Auch gegen drei weitere Angeklagte liegen Stuttgarter Anklagen vor, ihr Verfahren wurde aber abgetrennt. Laut Staatsanwaltschaft wird wegen der dubiosen Geschäfte mit den Medizin-Touristen insgesamt sogar gegen rund 20 weitere Verdächtige aus ganz Deutschland ermittelt, darunter sind auch Mitarbeiter des Klinikums. Sie sollen bei der Abrechnung der Behandlungen betrogen, bestochen oder die Betrügereien zumindest geduldet haben.

Die Vorwürfe haben eine lange Vorgeschichte: Als Vermittler von Gesundheitsdienstleistungen sollen die angeklagten mutmaßlichen Betrüger in den Jahren 2012 bis 2015 auch für die Betreuung ausländischer Patienten und die Zusammenarbeit mit dem Klinikum Stuttgart zuständig gewesen sein. Bei den drei Angeklagten geht es konkret um Vorwürfe im Zusammenhang mit der Behandlung von 370 libyschen Kriegsversehrten. Die unzulässigen Provisionen hätten die Männer ohne Wissen des libyschen Kostenträgers auf die Patientenrechnungen aufgeschlagen und nicht erbrachte Leistungen abgerechnet.

Laut Staatsanwaltschaft liegt der Schaden für das Klinikum und somit für die Stadt als Träger insgesamt in etwa zweistelliger Millionenhöhe. Die Ankläger hatten 2018 im Zusammenhang mit den krummen Geschäften in der früheren Auslandsabteilung des Klinikums bei Razzien Computer, Handys und Unterlagen beschlagnahmt.

Geschädigte sind den Ermittlern zufolge das Klinikum und die Rechnungsempfänger für ausländische Patienten, die vor allem aus Libyen, Kuwait, Saudi-Arabien, Oman und den Vereinigten Arabischen Emiraten kamen. Die größte Gruppe stammte aus Libyen. Im Juni 2013 hatte die Auslandsabteilung einen Vertrag mit der damaligen libyschen Übergangsregierung zur Behandlung von Kriegsversehrten unter anderem im Klinikum Stuttgart geschlossen.

Die Akquise reicher arabischer Patienten als Medizin-Touristen sollte sich zunächst als lukrativ für die größte Klinik im Südwesten erweisen. Nach Bekanntwerden der Libyen-Affäre ging es mit dem Auslandsgeschäft des Klinikums allerdings schnell bergab: Im Jahr 2016 zog die Stadt die Konsequenzen aus dem gescheiterten Geschäft mit Patienten aus Libyen und einem nicht weniger erfolglosen Beratervertrag mit Kuwait. Die Auslandsabteilung wurde als eigenständige Abteilung aufgelöst und in die regulären Strukturen des Klinikums mit seinen jährlich rund 90 000 Patienten und mehr als 7000 Beschäftigten überführt.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit 2016. Leiter der Internationalen Abteilung war zwischen 2008 und 2016 der langjährige Landesvorsitzende der Grünen, Andreas Braun. Er war nach Ermittlungen der Steuerfahndung Mitte 2016 von seinen Aufgaben entbunden worden und hatte danach die Öko-Partei verlassen, der er von 1999 bis 2006 vorstand. (dpa)