Die Hoffnungen von CSU und bayerischer Staatsregierung, die teilweise Cannabis-Legalisierung auf dem Klageweg zu stoppen, schwinden dahin. Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) sieht nach einer Prüfung durch ihr Ministerium jedenfalls keinerlei Klagemöglichkeiten für den Freistaat - weder vor dem Bundesverfassungsgericht noch irgendwo sonst, etwa auf europäischer Ebene. Das sagte Gerlach am Dienstag nach einer Kabinettssitzung in München. Die Staatsregierung setzt nun darauf, das Gesetz der Ampel wenigstens noch verzögern oder im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat Korrekturen erreichen zu können - und kündigt bereits restriktive Kontrollen auch mit einer speziellen Kontrolleinheit an. Nur Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat die Hoffnung offenkundig nicht aufgegeben: Er kündigte am Dienstag an, gemeinsam mit seinen Unions-Amtskollegen aus anderen Ländern eine Klage zu prüfen.
Man gehe davon aus, dass das Gesetz im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig sei, sagte Gerlach. Deshalb sei es in der Hinsicht auch nicht vor dem Bundesverfassungsgericht angreifbar. Und zwar gehe man von einer Europarechtswidrigkeit aus - aber da sei Bayern nicht direkt »vorlageberechtigt«, das müsste dann in einem Einzelfall etwa von einem Verwaltungsgericht ausgehen. Bayern als Regierung werde also voraussichtlich kein Gericht anrufen können. Dennoch warte man noch ab, wie das Gesetz den Bundesrat verlasse, wie es am Ende aussehe. Bis dahin halte man sich das weitere Vorgehen offen. Endgültig und vollständig abschreiben wollte Gerlach eine Klage deshalb noch nicht.
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte vor zwei Wochen noch gesagt, man werde alle denkbaren Klagen prüfen. Insbesondere werde geprüft, ob das Gesetz wegen seiner Auswirkungen auf die Länder nicht auch im Bundesrat zustimmungspflichtig sei. Diese Frage haben die Juristen des Gesundheitsministeriums nun mit Nein beantwortet - und damit den Klage-Überlegungen in einem entscheidenden Punkt die juristische Grundlage genommen.
Gerlach kündigte aber an, Bayern werde sich im Bundesrat am 22. März für die Einberufung des Vermittlungsausschusses einsetzen - »mit dem Ziel, das Gesetz vollständig zu stoppen«, wie sie betonte. Wenn der Freistaat das Gesetz dann allerdings nicht in Gänze verhindern kann, so soll es wenigstens maximal verzögert oder entschärft werden. »Wir sehen zumindest gute Chancen, dass das Gesetz nochmal verschoben wird, weil sich parteiübergreifend Kritik und Widerstand auch in den anderen Ländern regt«, sagte Gerlach.
Nach dem im Februar vom Bundestag beschlossenen Gesetz der Ampel-Koalition zur teilweisen Cannabis-Legalisierung sollen Besitz und Anbau der Droge mit zahlreichen Vorgaben für Volljährige zum Eigenkonsum legal werden. Erlaubt werden sollen zum 1. Juli auch nicht-kommerzielle »Anbauvereinigungen« zum gemeinschaftlichen Anbau.
Mit einer zentralen Kontrolleinheit beim Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) will die bayerische Staatsregierung den Cannabis-Anbau strikt und engmaschig kontrollieren. Die zentrale Kontrolleinheit soll nach Worten Gerlachs Anträge für die sogenannten »Anbauvereinigungen« prüfen, Lizenzen vergeben und die Vereinigungen engmaschig kontrollieren. Vorgesehen sind demnach regelmäßige Kontrollen einmal pro Quartal sowie anlassbezogene Kontrollen. Für die neue Kontrolleinheit sind 20 neue Stellen an den beiden Standorten Erlangen und Oberschleißheim eingeplant.
Polizei und Kreisverwaltungsbehörden sollen zudem den Konsum in der Öffentlichkeit streng überwachen, insbesondere die sogenannten Konsumverbotszonen. Gerlach betonte, die Staatsregierung werde dafür sorgen, dass Bayern keine »Kiffer-Hochburg« werde. Der Freistaat werde »mit Sicherheit kein lauschiges Plätzchen zum Kiffen« sein, sagte sie.
Die Landesinnenminister von CDU und CSU wollen derweil weiterhin eine Klage gegen die teilweise Cannabis-Legalisierung prüfen. Das kündigte Bayerns Ressortchef Herrmann als derzeitiger Sprecher der Runde nach einem Treffen in Berlin am Dienstag an. »Wir waren uns einig, dass auf die Strafverfolgungs- und Ordnungsbehörden der Länder schwierige zusätzliche Aufgaben und ein immenser Aufwand zukommen. Das wollen wir auf keinen Fall akzeptieren«, sagte Herrmann. »Eine Anrufung des Vermittlungsausschusses ist deshalb das Mindeste, was wir zur Entschärfung der größten Defizite in diesem Gesetzentwurf leisten können«, betonte Herrmann und fügte hinzu: »Wir prüfen auch eine Klage dagegen.«
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